EZB knackt 1,5-Bill.-Euro-Marke

Staatsanleihenkäufe bis April belaufen sich auf 1 512 Mrd. Euro - Nowotny: Weichenstellungen im Juni

EZB knackt 1,5-Bill.-Euro-Marke

Der Aufschwung in Euroland festigt sich, und die Inflation zieht an. Die EZB kauft aber unbeirrt auf absehbare Zeit im großen Stil Wertpapiere. Im Juni dürfte eine Strategiediskussion anstehen.ms Frankfurt – Die in Deutschland heftig kritisierten Staatsanleihenkäufe des Eurosystems haben die Marke von 1,5 Bill. Euro geknackt. Die Europäische Zentralbank (EZB) und die nationalen Zentralbanken des Euroraums erwarben im April Staats- und andere öffentliche Titel im Wert von 54,3 Mrd. Euro, wie die Notenbank gestern mitteilte. Damit beläuft sich das Gesamtvolumen seit März 2015 auf knapp 1 512 Mrd. Euro. Insgesamt hat das Eurosystem im Zuge seiner Politik des Quantitative Easing (QE) bis Ende April Wertpapiere im Wert von 1 834,4 Mrd. Euro auf die eigene Bilanz genommen.Mit den Käufen versucht das Eurosystem seit Frühjahr 2015 die Wirtschaft anzukurbeln und so auch die Inflation wieder in Richtung des Zielwerts von unter, aber nahe 2,0 % zu bringen. Inzwischen hat die wirtschaftliche Erholung an Fahrt aufgenommen, und die Inflation hat angezogen. Die Mehrheit im EZB-Rat will bislang aber nichts von einer Kehrtwende wissen, weil sie noch nicht genug Zuversicht hat, dass sich die Inflation dauerhaft und selbständig in Richtung der 2 % bewegt.In Deutschland wächst allerdings die Kritik an der EZB, und die Geldpolitik droht zu einem großen Thema im Bundestagswahlkampf zu werden. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erneuerte gestern seine Forderung nach einem Ausstieg der EZB aus der ultralockeren Geldpolitik (siehe nebenstehenden Bericht). Bundesbankpräsident Jens Weidmann hält die Debatte für legitim. Er sieht insbesondere die Staatsanleihenkäufe kritisch, weil er der Ansicht ist, dass damit die Grenzen von Geld- und Fiskalpolitik zusehends verwischen.Insgesamt erwarb das Eurosystem im April Wertpapiere im Wert von gut 62,6 Mrd. Euro. Neben Staats- und anderen öffentlichen Anleihen kaufen die Zentralbanken auch gedeckte Schuldverschreibungen (Covered Bonds), Kreditverbriefungen (Asset Backed Securities) und Unternehmensanleihen. Der April war der erste Monat, in dem die EZB wieder ein Volumen von 60 Mrd. Euro anvisiert hatte. Zuvor hatte sie seit April 2016 für 80 Mrd. Euro pro Monat gekauft. Die Rückkehr zum ursprünglichen QE-Volumen von 60 Mrd. Euro hatte die EZB damit begründet, dass die Deflationsrisiken aus dem Frühjahr 2016 verschwunden seien. Sie hatte aber stets betont, dass dies kein Beginn eines Ausstiegs aus QE sei.Laut den gestern veröffentlichten Zahlen reduzierte das Eurosystem die Käufe von Staats- und öffentlichen Anleihen sowie von Covered Bonds prozentual merklich stärker als jene von Unternehmensanleihen. Für Schlussfolgerungen ist es aber zu früh. Im kommenden Monat kann das schon wieder anders aussehen. Die EZB hatte offengelassen, wie sie die Reduzierung von 80 Mrd. Euro auf 60 Mrd. Euro auf die einzelnen Wertpapierklassen aufteilen wird. Sie will sich so auch eine größtmögliche Flexibilität erhalten.Innerhalb der Käufe von Staatsanleihen im April reduzierte sich der Anteil deutscher Titel ein wenig, während er etwa bei Italien und Frankreich ein wenig zunahm. Die EZB teilt die QE-Käufe auf die einzelnen Länder anhand des EZB-Kapitalschlüssels auf. Der durchschnittliche Anteil deutscher Staatsanleihen seit QE-Beginn liegt aber trotzdem immer noch etwas oberhalb des deutschen Anteils am Kapitalschlüssel.Die EZB hatte im Februar aufhorchen lassen, als im Protokoll der Januar-Sitzung zwar die Orientierung am Kapitalschlüssel hervorgehoben wurde, aber “doch gleichzeitig Wert auf die Feststellung gelegt wurde, dass begrenzte und vorübergehende Abweichungen möglich und unvermeidlich seien”. Einige Beobachter argumentieren, dass QE effektiver wäre, wenn es gezielt Ländern wie etwa Italien zugutekäme. Auch einige Notenbanker sympathisieren mit dieser Idee. Das gilt aber der Mehrheit im EZB-Rat als politisch zu heikel.Mit Blick auf den weiteren Kurs der EZB sagte Ratsmitglied Ewald Nowotny gestern, dass die Notenbank auf ihrem Treffen im Juni wichtige Weichenstellungen für die künftige Geldpolitik erörtern werde. “Wir werden bei der Sitzung im Juni die weitere Strategie zu besprechen haben, die Strategie für den Beginn des Jahres 2018”, sagte Österreichs Notenbankchef der Zeitung “Die Presse”. Bislang hat sich die EZB bis mindestens Ende 2017 zu QE verpflichtet. Tatsächlich rechnen die allermeisten Beobachter damit, dass im Juni die Debatte über den weiteren EZB-Kurs an Fahrt aufnehmen wird. Konkrete Entscheidungen für die Zukunft von QE im Jahr 2018 erwarten die meisten Experten bislang aber eher für den Herbst 2017.