Drohende Rezession

EZB relativiert inverse Renditekurven

Die Renditenkurven in Euroland und den USA sind teilweise so invers wie seit Jahrzehnten nicht. Experten halten das für ein klares Signal für eine bevorstehende Rezession. Die EZB hält dagegen und warnt vor Überinterpretationen.

EZB relativiert inverse Renditekurven

EZB relativiert inverse Renditekurven

Analyse: Rezessionsgefahr womöglich überzeichnet – De Guindos: Wirtschaft bleibt schwach

ms Frankfurt

Die Europäische Zentralbank (EZB) stemmt sich gegen Einschätzungen, dass die aktuell inversen Renditekurven in Euroland und in den USA ein klarer Indikator für eine bevorstehende Rezession seien. In der Vergangenheit sei zwar eine inverse Zinskurve in der Regel einer Rezession vorausgegangen, heißt es einer am Dienstag vorab veröffentlichten Analyse aus dem neuen EZB-Wirtschaftsbericht. Zugleich listen die Experten aber eine Reihe Gründe auf, warum die inversen Kurven aktuell die Rezessionsgefahr überzeichnen könnten.

Historischer Zusammenhang

Wenn die kurz- über den langfristigen Zinsen liegen, sprechen Finanzexperten von einer „inversen Zinsstrukturkurve“. Finanzhistorisch gilt ein solches Phänomen als verlässlicher Indikator für eine bevorstehende Rezession. Infolge der beispiellosen Zinswende der EZB und auch der US-Notenbank Fed in den Jahren 2022 und 2023 sind die kurzfristigen Renditen rasch gestiegen und liegen merklich oberhalb der langfristigen Renditen. Zeitweise war die Inversion so stark wie seit Jahrzehnten nicht. Experten sehen das auch jetzt als klares Signal für einen bevorstehenden Wirtschaftseinbruch in den USA und in Euroland.

Die EZB hält nun dagegen. Zwar räumt sie den historischen Zusammenhang ein. Dieser sei „sehr gut dokumentiert“. Allerdings schränkt sie schon grundsätzlich ein, dass die entsprechenden Modelle keine Aussage träfen über die Tiefe und Länge einer möglichen Rezession. Zudem warnen die Experten davor, die aktuellen Schätzungen mittels sehr simpler Modelle für bare Münze zu nehmen. Laut EZB taxieren diese aktuell die Rezessionswahrscheinlichkeit in einem Jahr für die Eurozone auf rund 50% und für die USA immerhin auf etwa 40%.

Einige Vorbehalte

Laut den EZB-Experten verbessert die Einbeziehung zusätzlicher Finanzindikatoren und der Ölpreise in die Modelle die Prognoseleistung. Im Fall der Eurozone verweisen sie da etwa auf den Composite Indicator of Systemic Stress (CISS). In einer solchen Betrachtung sei das signalisierte Rezessionsrisiko bereits deutlich geringer. Sowohl für die Eurozone wie für die USA sinke der Wert so auf 25%.

Als „weiteren Vorbehalt“ sehen die Fachleute zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Tatsache, dass die negative nominale Steigung derzeit von der realen Zinskurve bestimmt werde und nicht von der Inflationskompensation. Das könne das Signal des einfachen Modells abschwächen. „Es ist davon auszugehen, dass das derzeitige Risiko einer Rezession möglicherweise überschätzt wird“, heißt es dazu in der EZB-Analyse.

Schließlich stellt laut den Experten die Auswirkung der Vermögensbestände der Zentralbanken auf die Renditen eine Einschränkung bei der Interpretation dar. "Der Besitz von Vermögenswerten verringert tendenziell die Steigung der Renditekurve, was zu verzerrten Signalen hinsichtlich der Rezessionsrisiken führen kann", heißt es. Die Notenbanken haben in den Krisenjahren wie nie zuvor Anleihen gekauft, vor allem Staatsanleihen.

Stagnation oder Schrumpfung

Unterdessen sagte EZB-Vize Luis de Guindos am Dienstag, dass die Euro-Konjunktur voraussichtlich auch im Rest des Jahres schwach bleibe. "Wir haben im dritten Quartal Stagnation oder negatives Wachstum gesehen, und wir erwarten, dass sich dies im vierten Quartal fortsetzen wird." Zugleich machte de Guindos deutlich, dass die EZB in der Geldpolitik weiter datengestützt vorgehen will.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.