GELDPOLITIK IM FOKUS

EZB setzt auf Politik der ruhigen Hand

Notenbank sieht "leichte Abschwächung" der Wirtschaft, aber solides Wachstum - Inflation im Blick

EZB setzt auf Politik der ruhigen Hand

Die EZB kauft noch bis mindestens September im großen Stil vor allem Staatsanleihen und hält die Leitzinsen nahe oder gar unter null. Wie aber geht es danach weiter? Diese Frage treibt Notenbanker und Marktakteure um. Antworten bleibt die EZB weiterhin schuldig – sie will erst noch weiter die Lage analysieren.ms Frankfurt – Trotz enttäuschender Konjunktursignale hat die Europäische Zentralbank (EZB) an ihrem recht zuversichtlichen Ausblick festgehalten – auch wenn sie zugleich auf erhöhte Risiken wie einen globalen Protektionismus verwies. Mit Blick auf die Geldpolitik hielt sich EZB-Präsident Mario Draghi gestern nach den zweitägigen Beratungen des EZB-Rats zurück. “Wir haben über die Geldpolitik per se nicht diskutiert”, sagte er gar. Beobachter prognostizieren weiter eine sehr langsame und graduelle Abkehr von der ultralockeren Geldpolitik. Draghi sprach von einer Politik der “ruhigen Hand”. Sorgen um DeutschlandSeit Jahresbeginn hatten sich einige Stimmungsindikatoren wie etwa auch der deutsche Ifo-Geschäftsklimaindex abgeschwächt, und auch harte Daten hatten enttäuscht. Obwohl die Indizes weiter auf relativ hohen Niveaus verharren, hatte das Diskussionen geschürt, ob sich das Wachstum der Euro-Wirtschaft stärker abbremsen könnte als bislang erwartet. 2017 war sie um 2,4 % gewachsen – so stark wie seit 2007 nicht. Für Deutschland hatten zuletzt erste Forscher gar vor einer erhöhten Rezessionsgefahr gewarnt.Draghi und die EZB äußerten sich nun zuversichtlicher. In der Erklärung des EZB-Rats nach der Sitzung räumten die Notenbanker zwar ein, dass die jüngsten Daten auf eine “leichte Abschwächung” des Wachstums hindeuteten. Draghi sagte nach der Sitzung zudem, dass einige der Rückgänge der Indizes stärker ausgefallen seien als erwartet und es einen breiten “Verlust an Momentum” gebe – über Länder und Sektoren hinweg. Zudem seien die Abwärtsrisiken augenscheinlicher noch im März.Zugleich sieht der Rat die Daten aber “nach wie vor im Einklang mit einer robusten und breit angelegten wirtschaftlichen Expansion”. Im März war indes noch von einer starken Expansion die Rede gewesen. Zudem setzte der Rat die jüngste Entwicklung ins Verhältnis zu mehreren Quartalen, in denen das Wachstum positiv überrascht habe. Draghi sagte außerdem, dass für den teils stärkeren Rückgang als erwartet wohl vor allem temporäre Faktoren wie das Wetter verantwortlich seien.Mit Blick auf die Inflation äußerte sich die EZB ähnlich wie zuvor. Die Stärke der Euro-Wirtschaft stärke das “Vertrauen” der Euro-Hüter, dass sich die Inflation von zuletzt 1,3 % dem Ziel von unter, aber nahe 2 % annähere. Zugleich sei aber die zugrunde liegende Inflation nach wie vor verhalten. Sie lasse “bislang noch keine überzeugenden Anzeichen für einen dauerhaften Aufwärtstrend erkennen”, so das EZB-Statement.Das Fazit der Diskussionen im EZB-Rat brachte Draghi wie folgt auf den Punkt: “Vorsicht bei unverändertem Vertrauen” in das Anziehen der Inflation in Richtung 2 %. Mit Blick auf den weiteren Kurs der Geldpolitik hielt sich Draghi ganz bedeckt. Über Fragen wie einen “Plan” für die nächsten Monate sei überhaupt nicht diskutiert worden, sagte er.Draghi begründete das auf Nachfrage damit, dass es für den EZB-Rat nun zunächst darum gehe, ganz genau zu verstehen, ob es sich um eine temporäre oder eine dauerhafte Wachstumsabschwächung handele, ob es angebots- oder nachfrageseitig getrieben sei und ob dies der Beginn eines stärkeren Einbruchs sei oder eine Art Normalisierung. Das habe entscheidenden Einfluss auf die weiteren Entscheidungen, so Draghi.Im EZB-Rat schien es zuletzt eine unausgesprochene Übereinkunft gegeben zu haben, dass die Anleihekäufe (Quantitative Easing, QE) bis Ende des Jahres 2018 eingestellt werden – was die Tür für erste Zinserhöhungen Mitte 2019 öffnen würde (vgl. BZ vom 25. April). Dieses Szenario scheint nach Draghis Aussagen weiter denkbar.Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete gestern unter Berufung auf Insider, dass es bei der EZB-Ratssitzung als wichtig eingestuft worden sei, die momentanen Markterwartungen nicht zu verschieben. Zurzeit rechnen Finanzmarktakteure damit, dass die EZB QE bis Jahresende einstellen wird. Mit einer ersten Zinsanhebung wird frühestens um die Jahresmitte 2019 gerechnet.Als größtes Risiko brandmarkte Draghi gestern die globalen Handelsstreitigkeiten und die Gefahr eines Handelskriegs. Darüber sei er “beunruhigt”. Die bisher angekündigten Maßnahmen würden den Handel nicht stark belasten. Es bleibe aber abzuwarten, wie mögliche Gegenschläge aussähen. Unmittelbar negativ dämpfe der Protektionismus die Zuversicht der Wirtschaftsakteure, sagte Draghi. Die EZB müsse schauen, ob dies Folgen für die Inflationserwartungen habe.