EZB sieht schwache Nachfrage als Sorgenkind

Forschungspapier relativiert Bedenken wegen schleppender Investitionen - Politik soll Konsum stützen

EZB sieht schwache Nachfrage als Sorgenkind

ms Frankfurt – Während die Investitionen im Euroraum nach Ende der Rezession Anfang 2013 sogar stärker zugelegt haben als im historischen Vergleich nach Wirtschaftseinbrüchen, ist es die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, die vergleichsweise schwach geblieben ist. Zu diesem Ergebnis kommt ein Forschungspapier der Europäischen Zentralbank (EZB), dass die Notenbank jetzt auf ihrer Internetseite veröffentlicht hat. Die Schlussfolgerung der Studie: Es braucht politische Maßnahmen zur Stärkung der Nachfrage – inklusive einer ultralockeren Geldpolitik.Das Papier steht ein wenig im Widerspruch zum verbreiten Eindruck, dass aktuell die mangelnde Investitionsbereitschaft das größte Sorgenkind der Euro-Wirtschaft ist, während der Konsum, als Teil der Nachfrage, zuletzt eine wesentliche Stütze für das Wachstum war. Die Eurozone hatte die Rezession, in die sie nach Zuspitzung der Schuldenkrise 2011 gestürzt war, im zweiten Quartal 2013 überwunden; das Wachstum seitdem ist aber relativ moderat.Noch bemerkenswerter aber ist das Papier wegen der sich ergebenden politischen Handlungsempfehlungen. Vor allem in Deutschland dringen viele Volkswirte auf mehr angebotseitige Strukturreformen, um das wirtschaftliche Klima und das Potenzialwachstum zu erhöhen. Dieser Forderung haben sich auch viele Euro-Notenbanker angeschlossen. Das Papier stützt aber nun jene, die einen starken Fokus auf eine nachfrageorientierte Wirtschafts- und Finanzpolitik legen – und auch jene Notenbanker, die eine anhaltend lockere Geldpolitik befürworten.Für seine Studie hat Philip Vermeulen, leitender Volkswirt in der EZB-Forschungsabteilung, die Phasen nach Ende der großen Rezession Mitte 2009 sowie nach Ende der bis Anfang 2013 andauernden Rezession mit den drei Erholungsphasen in den Jahren 1970 bis 2007 verglichen. Die Entwicklung bei den Investitionen findet er dabei “weniger beunruhigend”, als sie vielfach auf den ersten Blick erscheine. Der Trend bei der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage dagegen sei “enttäuschend”.Was die Investitionen betreffe, habe das Niveau im zweiten Quartal 2016 um 7,7 % höher gelegen als im ersten Quartal 2013. Historisch habe das Niveau zwölf Quartale nach dem Ende der Rezession nur um 5,2 % höher gelegen. Das Erholungstempo sei also keinesfalls ungewöhnlich.Dass sich die Investitionen in den USA seit 2011 viel besser entwickelt hätten, führt er vor allem auf zwei Faktoren zurück. Zum einen habe die Eurozone nach der großen Rezession infolge der Weltfinanzkrise noch eine zweite Rezession durch die Euro-Schuldenkrise erlebt. Zum anderen habe sich in den USA die Bauinvestitionen sehr viel besser erholt – wohl auch als Folge des höheren Bevölkerungswachstums.Enttäuschend findet Vermeulen dagegen im Euroraum die Entwicklung bei der Nachfrage. Diese habe im zweiten Quartal 2016 nur 4,1 % höher gelegen als im ersten Quartal 2013. Der historische Durchschnitt liege da bei 7,8 % (siehe Grafik). Die jüngste Erholung bei den Investitionen könne sich aber nur fortsetzen, wenn der gesamtwirtschaftliche Konsum ausreichend robust wachse. Es sei deshalb verfehlt, falls sich die Entscheidungsträger nur auf die Investitionen fokussierten. “Stattdessen sollte die Politik auf eine breitere Erholung der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage und des Konsums im Besonderen abzielen”, so Vermeulen. Die aktuelle expansive Geldpolitik der EZB sei deshalb gerechtfertigt.