EZB-POLITIK IM BRENNPUNKT

EZB stößt bei Anleihekäufen an ihre Grenzen

Nicht zuletzt Bundesanleihen drohen knapp zu werden - Debatte über 33-Prozent-Obergrenze und Kapitalschlüssel - Gerichtsverfahren im Fokus

EZB stößt bei Anleihekäufen an ihre Grenzen

Die EZB steht vor einer Grundsatzentscheidung über ihre ultralockere Geldpolitik. Die jüngste Euro-Stärke und drohende Knappheitsprobleme bei QE machen das nicht gerade einfacher.Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) hat ein Problem – und das nicht nur, weil sie bei der Diskussion über die Zukunft ihrer ultralockeren Geldpolitik und speziell über die umstrittenen Anleihekäufe in einem Dilemma aus guter Wirtschaftslage und unter Ziel liegender Inflation steckt. Als weitere Erschwernis kommt hinzu, dass das Kaufprogramm (Quantitative Easing, QE) zunehmend an selbst gesetzte Grenzen stößt – was die Frage, wie es 2018 weitergeht, alles andere als einfacher macht.Bislang hat das Eurosystem aus EZB und nationalen Zentralbanken im Kampf gegen die zu niedrige Inflation für 2,06 Bill. Euro Wertpapiere gekauft – vor allem Staatsanleihen. Im August kamen weitere gut 50 Mrd. Euro hinzu, wie die EZB gestern mitteilte. Dass das Volumen im liquiditätsarmen Ferienmonat August unterhalb der monatlichen Zielmarke von aktuell 60 Mrd. Euro liegen würde, war im Vorhinein klar.Jetzt aber droht QE immer stärker an ins Programm eingebaute Schranken zu stoßen. Da ist zum einen, dass der EZB-Rat festgelegt hat, in der Regel nicht mehr als 33 % eines Emittenten oder einer Emission erwerben zu wollen. Zum anderen ist da die Aufteilung der QE-Käufe nach dem EZB-Kapitalschlüssel. EZB-Präsident Mario Draghi betont stets, dass der Rat wenn nötig genug Flexibilität bei QE habe. Die Frage ist aber, wie groß die Flexibilität bei diesen zentralen Vorgaben ist.Die 33 %-Vorgabe droht nicht nur bei Bundesanleihen verstärkt zum Problem zu werden – sondern etwa auch für Portugal oder Spanien (siehe Grafik). In begrenztem Umfang gibt es die Möglichkeit, auf den Kauf anderer Papiere – wie im Fall Deutschlands etwa Anleihen der Bundesländer – auszuweichen. Dieser Spielraum scheint aber begrenzt. Andere Zentralbanken haben nun teils deutlich höhere Quoten akzeptiert, die Fed sogar von bis zu 70 %. Die EZB hatte aber die Obergrenze stets damit begründet, dass sie die Funktionsfähigkeit der Märkte und die Preisbildung sicherstellen wollte. Zudem wollte sie rechtlichen Vorwürfen entgegentreten, sie betreibe mit QE eine ihr verbotene Staatsfinanzierung.Die Aufteilung nach dem Kapitalschlüssel, durch die rund ein Viertel deutsche Titel gekauft werden, sollte gerade den geldpolitischen Charakter von QE unterstreichen. Vor dem Start waren auch andere Optionen erwogen worden, insbesondere eine Ausrichtung an den Marktanteilen. Eine solche Lösung wurde aber verworfen, weil sich die EZB nicht dem Verdacht aussetzen wollte, speziell Länder mit hoher Verschuldung wie etwa Italien zu unterstützen (Moral Hazard).QE-Kritiker heben nun hervor, dass es bereits sehr wohl Abweichungen vom Kapitalschlüssel gebe. Nicht zuletzt seien in den vergangenen Monaten weniger deutsche Titel gekauft worden als vorgesehen – und dafür etwa mehr italienische und französische. Tatsächlich hatte der EZB-Rat auch öffentlich schon eingeräumt, dass es bei dem Kapitalschlüssel eine gewisse Flexibilität geben müsse. Auf Dauer soll das aber ausgeglichen werden, heißt es. Der Anteil der deutschen Papiere seit QE-Beginn liegt im Übrigen immer noch über dem deutschen EZB-Schlüssel.Ist der EZB-Rat nun aber bereit, an diesen Vorgaben zu rütteln? Schließlich soll unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, die EZB sei nicht mehr handlungsfähig und ein möglicher Ausstieg aus QE ein “erzwungener Exit”. Bundesbankchef Jens Weidmann hat dennoch unlängst im Interview der Börsen-Zeitung deutlich davon abgeraten, diese Vorgaben zu ändern. Das würde der Glaubwürdigkeit des EZB-Rats schaden, warnte er (vgl. BZ vom 24. August). Er erinnerte auch an den Rechtsstreit über QE vor dem Bundesverfassungsgericht. Auch das für rechtliche Fragen zuständige EZB-Direktoriumsmitglied Yves Mersch hatte stets betont, dass die Begrenzungen wichtig seien. Zum Jahreswechsel 2016/2017 hatte zudem Merschs einflussreicher Direktoriumskollege Benoît Coeuré im Interview der Börsen-Zeitung von einer “großen Zurückhaltung” im EZB-Rat berichtet, diese Grenzen zu ändern (vgl. BZ vom 31. 12. 2016).Eine Alternative, um bei QE mehr Flexibilität zu bekommen, wäre es, weitere Assetklassen wie Aktienfonds oder Bankanleihen aufzunehmen. Jede dieser Maßnahmen birgt aber Probleme und Risiken – und es erscheint auch fraglich, wie das jenseits akuter Krisenzeiten argumentativ begründet werden könnte.Eine Lösung könnte womöglich darin liegen, dass der EZB-Rat die QE-Käufe von aktuell 60 Mrd. Euro ab Januar 2018 stärker drosselt als auf die bislang am Markt vielfach erwarteten 40 Mrd. Euro – dass er dafür im Gegenzug QE aber für einen längeren Zeitraum verlängert als die derzeit von vielen Marktbeobachtern prognostizierten drei bis sechs Monate. In Notenbankkreisen werden aktuell die verschiedensten Varianten und Optionen durchgespielt.