EZB verleiht Rekordsumme an Europas Banken

742 Institute fragen 1,31 Bill. Euro nach - Banken können mit Kredit Geld machen - Klage gegen PEPP

EZB verleiht Rekordsumme an Europas Banken

ms Frankfurt – Mit ihrer neuesten Geldspritze für Europas Banken hat die Europäische Zentralbank (EZB) gestern eine Rekordsumme an die Institute verteilt und die Marke von 1 Bill. Euro locker geknackt. Insgesamt 1,31 Bill. Euro gehen im Zuge des vierten sogenannten TLTRO III für drei Jahre an die Institute, wie die EZB gestern mitteilte. 742 Banken hatten die Kredite nachgefragt. “Die Euro-Währungshüter setzen alle Hebel in Bewegung, um die Konjunktur zu stützen”, sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW).Die gezielten Langfristrefinanzierungsgeschäfte TLTRO III (Targeted Longer-Term Refinancing Operations) sind Teil des beispiellosen EZB-Maßnahmenpakets gegen die Coronakrise und die Jahrhundertrezession im Euroraum. Die Geldspritzen sollen den dauerhaften Zugang von Firmen und Haushalten zu Bankkrediten in dieser Zeit wirtschaftlicher Verwerfungen sichern. Im April hatte der EZB-Rat die Konditionen für die Gelder noch einmal deutlich günstiger gestaltet als ohnehin schon. Die gestrige Zuteilung war die erste nach dieser Nachbesserung.Beobachter hatten mit einer hohen Nachfrage gerechnet und spekuliert, ob die 1-Bill.-Euro-Marke geknackt werden könnte. Diese Erwartungen wurden nun sogar etwas übertroffen. Die besondere Attraktivität ergibt sich insbesondere aus den günstigen Zinskonditionen. Für Banken, die das Volumen ihrer Kreditvergabe aufrechterhalten, liegt der fällige Zins 50 Basispunkte unterhalb des Einlagenzinses von derzeit – 0,5 %, also unter dem Strich bei – 1,0 %. Banken bekommen de facto Geld dafür, dass sie sich Geld bei der EZB leihen. Extrem günstiger ZinssatzNach Berechnungen der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) können die Banken mit der Kreditaufnahme bis zu 6,5 Mrd. Euro verdienen – falls es allen Instituten gelingen sollte, die geforderten Kreditvolumen zu erreichen oder zu übertreffen. “Da dieser günstige Langfristtender nicht eine einmalige Gelegenheit war, sondern noch weitere Geschäfte diese Ertragschance bieten, dürfte die Flutwelle an Zentralbankgeld nicht so schnell abebben”, sagte Helaba-Analyst Ralf Umlauf.Umlauf hob indes hervor, dass diese Liquiditätsflut nicht mit einer Geldmengenexpansion zu verwechseln sei. In den Geldmengenaggregaten M1, M2 und M3 ist Zentralbankgeld nur in Form von Bargeld enthalten. Trotz der vermehrten Kassenhaltung in der Krise sei dies nicht vergleichbar mit den enormen Zuwächsen bei von Geschäftsbanken gehaltenen Zentralbankguthaben, so Umlauf. Ein Effekt auf die Geldmengenaggregate könne sich aber ergeben, wenn die Banken die günstigen Refinanzierungen nutzen und in der Summe ihre Bankbilanzen ausweiten, sei es durch Kreditvergabe oder durch den Erwerb von Wertpapieren. “Aus Sicht der EZB wäre dies wohl ein wünschenswerter Effekt, der die Erholung der Wirtschaft begünstigt und mittelfristig einen Anstieg der Inflationsrate in Richtung des EZB-Ziels erwarten ließe”, sagte Umlauf.Die Euro-Inflation war im Mai auf nur noch 0,1 % gesunken. Es gibt auch in der EZB Sorgen vor einer Deflation, also einer gefährlichen Abwärtsspirale aus fallenden Preisen und sinkendem Wachstum. Diese Bedenken teilen aber nicht alle.Bei den nun zugeteilten 1,31 Bill. Euro ist zu berücksichtigen, dass es sich um eine Bruttosumme handelt. So werden gleichzeitig etwa alte Langfristkredite und Überbrückungshilfen fällig und es gibt die Möglichkeit zu vorzeitigen Rückzahlungen. Da dieses Volumen auf rund 750 Mrd. Euro geschätzt wird, ergibt sich durch das gestrige Geschäft ein Nettozufluss von rund 550 Mrd. Euro.Neben den Liquiditätshilfen greift die EZB im Kampf gegen die Coronakrise auch zu beispiellosen Anleihekäufen. Insbesondere hat sie das Corona-Notfallankaufprogramm PEPP (Pandemic Emergency Purchase Programme) mit nun 1,35 Bill. Euro aufgelegt. Das wird jetzt aber auch das Bundesverfassungsgericht beschäftigen. Die AfD-Bundestagsfraktion hat eine Klage in Karlsruhe avisiert (vgl. BZ vom 18. Juni).