EZB vor hitziger Debatte über PEPP

Frankreichs Notenbankchef für mehr Flexibilität bei Kapitalschlüssel - Bollwerk gegen Staatsfinanzierung

EZB vor hitziger Debatte über PEPP

Vor der Zinssitzung des EZB-Rats am 4. Juni zeichnen sich neue Kontroversen ab. Beobachter setzen auf eine Aufstockung des 750-Mrd.-Euro-Anleihekaufprogramms PEPP gegen die Coronakrise. Für noch größere Aufregung sorgen aber Ideen im EZB-Rat für weitere, brisante Änderungen an dem Programm.ms Frankfurt – Die Europäische Zentralbank (EZB) steuert auf eine weitere kontroverse Debatte über ihr Corona-Anleihekaufprogramm PEPP zu. Konkret geht es um die Frage, ob der EZB-Kapitalschlüssel noch als Richtschnur für die Verteilung der PEPP-Käufe auf die einzelnen Euro-Länder fungieren soll – oder nicht. Frankreichs Notenbankpräsident François Villeroy de Galhau signalisierte gestern Bereitschaft, sich stärker vom Kapitalschlüssel abzukehren. Dagegen hat etwa die Bundesbank bei den EZB-Käufen stets darauf gepocht, sich am Kapitalschlüssel zu orientieren. Explizite Hilfe für ItalienBei dem im März beschlossenen, 750 Mrd. Euro umfassenden Pandemie-Notfallankaufprogramm (Pandemic Emergency Purchase Programme) hat sich der EZB-Rat bereits eine größere Flexibilität gegeben, was den Kapitalschlüssel betrifft. Dieser fungiert zwar weiter als Benchmark für die Anleihekäufe, aber “im Zeitverlauf” sind explizit Schwankungen auch über Länder hinweg vorgesehen. Tatsächlich kauft das Eurosystem aktuell vor allem italienische Staatsanleihen. Im Grundsatz müsste sich die Verteilung aber gemäß dem März-Beschluss auf Dauer am Kapitalschlüssel orientieren.Villeroy de Galhau stellt das nun zur Diskussion. Das Festhalten am Kapitalschlüssel “wäre eine unangemessene Einschränkung, die die Wirksamkeit unserer Interventionsbemühungen untergraben würde”, sagte der Notenbanker gestern in Paris. “Abhängig von der Marktdynamik und den Liquiditätsbedingungen (…) müssen bestimmte nationale Zentralbanken in der Lage sein, erheblich mehr und andere erheblich weniger zu kaufen, während sichergestellt wird, dass die Risiken nicht geteilt werden”, sagte der Franzose. Damit signalisiert er, dass aus seiner Sicht die Flexibilität von PEPP mindestens so wichtig ist wie das Volumen des Kaufprogramms.Die Wortmeldung kommt gut eine Woche vor der nächsten Zinssitzung des EZB-Rats am 4. Juni. Beobachter erwarten nach diversen Signalen von Top-Notenbankern dann eine Aufstockung von PEPP. Auch Villeroy de Galhau sagte gestern, es gehe darum, die Euro-Wirtschaft in der Coronakrise “schnell und kraftvoll” zu unterstützen: “Im Namen unseres Mandats müssen wir höchstwahrscheinlich noch weiter gehen.”Villeroy de Galhau plädierte dafür, das bislang bis Ende 2020 geplante PEPP-Programm in das Jahr 2021 hinein zu verlängern, da die Krise langwieriger sei als gedacht. Er selbst sei dafür, klare Kriterien für ein Ende von PEPP aufzustellen. Was eine Aufstockung betrifft, habe der EZB-Rat bereits signalisiert, dass er dazu notfalls bereit sei. Aus seiner Sicht sei das aber nur sinnvoll, wenn gleichzeitig “die maximale Wirksamkeit von PEPP” sichergestellt werde, so der Franzose. Dabei gehe es um die Verteilung auf die Euro-Länder.Eine Lockerung des Kapitalschlüssels dürfte aber auf einigen Widerstand bei EZB-Ratsmitgliedern stoßen, die diese Vorgabe als zentrales Bollwerk gegen das Risiko monetärer Staatsfinanzierung betrachten, die laut EU-Vertrag verboten ist. Dazu gehört nicht zuletzt Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Auch bei Gerichtsverfahren über die Anleihekäufe ist dem Kapitalschlüssel stets ein besonderes Gewicht zugekommen. Erst Anfang Mai hatte das Bundesverfassungsgericht das reguläre EZB-Staatsanleihekaufprogramm PSPP (Public Sector Purchase Programme) als teilweise nicht konform mit dem Grundgesetz bezeichnet. Experten sind sicher, dass auch PEPP vor Gericht landen wird.EZB-Vizepräsident Luis de Guindos sagte gestern zu dem Thema bei Bloomberg TV: “Wir haben kurzfristig Flexibilität.” Die Abschaffung des Kapitalschlüssels “ist etwas, das wir im EZB-Rat nicht erörtert haben”.