EZB will notfalls proaktiv handeln
Weltweit sind die wichtigsten Zentralbanken wieder auf einen eher expansiven Kurs eingeschwenkt. Das gilt auch für die EZB. EZB-Chefökonom Philip Lane hat das nun noch einmal untermauert. Die Zentralbank der Zentralbanken BIZ warnt aber vor einer Überlastung der Notenbanken – und mahnt zur Vorsicht.ms Helsinki – EZB-Chefvolkswirt Philip Lane hat die Entschlossenheit der Europäischen Zentralbank (EZB) untermauert, ihre Geldpolitik falls nötig weiter zu lockern – und dabei klargemacht, dass die Euro-Hüter bei drohenden Problemen auch vorbeugend agieren könnten. “Die Wirksamkeit des politischen Instrumentariums bedeutet, dass wir weitere monetäre Anpassungen vornehmen können, wenn es zur Erreichung unseres Ziels erforderlich ist”, sagte Lane gestern in Helsinki. Explizit verwies er etwa auf eine mögliche Zinssenkung und die Wiederaufnahme der breiten Wertpapierkäufe. Zinssenkung gilt als sicherBei seiner ersten großen Rede seit Amtsantritt Anfang Juni sagte Lane auf einer hochrangig besetzten Konferenz zur Zukunft der Geldpolitik und der Eurozone zudem: “Es ist wichtig, dass eine Zentralbank bei ihren geldpolitischen Entscheidungen Konsistenz zeigt, indem sie proaktiv auf Schocks reagiert, die die Konvergenz zum Ziel verzögern oder die Inflationsdynamik in eine negative Richtung lenken könnten.”Mit seinen Aussagen heizt Lane die Erwartung an eine baldige geldpolitische Lockerung der EZB an. EZB-Präsident Mario Draghi hatte zuletzt die Tür für zusätzliche Maßnahmen weit aufgestoßen. Draghi hatte gesagt, dass “ohne Besserung” des Ausblicks für Wachstum und Inflation weitere Stimuli “nötig” seien. Marktteilnehmer und Volkswirte gehen inzwischen fest davon aus, dass die EZB im September ihren Einlagenzins von aktuell – 0,4 % senken wird. Einige setzen auf einen solchen Schritt aber bereits im Juli und prognostizieren eine Neuauflage der Wertpapierkäufe (Quantitative Easing, QE).Lanes Aussagen kommen nur einen Tag nachdem die Zentralbank der Zentralbanken BIZ in ihrem Jahresbericht vor einer Überlastung der Notenbanken gewarnt und die Währungshüter aufgefordert hatte, vorsichtig zu agieren. Die Geldpolitik könne nicht die Hauptverantwortung für die Ankurbelung der Weltwirtschaft tragen und das restliche geldpolitische Pulver solle nicht voreilig verschossen werden, so die BIZ.Lane betonte in seiner Rede in Helsinki die Effektivität der bisherigen Maßnahmen der EZB in der Krise. Die EZB habe in der Vergangenheit immer wieder bewiesen, dass sie notfalls “kreativ” sei. Sorgen bereiten den Euro-Hütern zum einen die Abschwächung der Euro-Konjunktur und die vielen Risiken für den Ausblick wie die Handelsstreitigkeiten. Zum anderen stören sie sich daran, dass die Inflation bislang nicht so anzieht wie erwartet. Im Juni verharrte die Teuerung bei 1,2 %. Die EZB strebt mittelfristig eine Rate von unter, aber nahe 2 % an.Lane hob auch noch einmal die Symmetrie des EZB-Ziels von knapp 2 % hervor. In den ersten Jahren der EZB sei es vor allem darum gegangen, klarzumachen, dass die EZB keine dauerhafte Überschreitung der 2 % toleriere. Jetzt liege die Inflation aber schon lange unterhalb des Ziels und auch das werde die EZB nicht akzeptieren, sagte Lane. Der EZB-Kommunikation komme dabei eine sehr zentrale Rolle zu, sagte er. EZB-Strategie im FokusFinnlands Zentralbankchef Olli Rehn und Spaniens Notenbankchef Pablo Hernández de Cos plädierten in Helsinki dafür, das geldpolitische Rahmenwerk der EZB auf den Prüfstand zu stellen. “Die Geldpolitik erfolgt in einem wirtschaftlichen Umfeld, das sich deutlich von dem vor 16 Jahren unterscheidet, als die EZB ihre Strategie zuletzt überprüfte”, sagte Rehn. Die Alterung der Bevölkerung, die sinkenden langfristigen Zinsen und der Klimawandel würden zu zentralen politischen Themen, und ihre Auswirkungen auf Wachstum und Inflation müssten besser verstanden werden, sagte Rehn, der als ein möglicher Kandidat für die Nachfolge von Draghi Ende 2019 gilt. Er verwies darauf, dass auch die US-Notenbank ihr Handeln derzeit überprüfe.US-Notenbankvize Richard Clarida machte bei der Konferenz in Helsinki klar, dass das 2-Prozent-Ziel der Fed selbst nicht zur Disposition stehe. Die Fed denke aber derzeit intensiv über Ideen nach, nach denen die Notenbank ein Unterschreiten des Inflationsziels in der Zukunft ausgleichen müsse. Die Fed erwägt aktuell ein durchschnittliches Inflationsziel (“average inflation targeting”).Entscheidend sei bei einer solchen Strategie aber, dass sie als “glaubwürdiges Versprechen” angesehen werde, sagte Clarida. Für die Fed sei eine der schwierigsten Fragen, ob sie die Vorteile, die eine solche Strategie theoretisch in den Modellen verspreche, in der Praxis tatsächlich erreichen könne. Auch unter den Euro-Hütern gibt es eine Debatte, nach Jahren unterhalb des Ziels in der Zukunft ein Überschießen zu tolerieren oder gar anzupeilen.