EZB will Zins nicht vor 2019 erhöhen

Draghi: Wir sind noch nicht am Ziel - Spekulationen auf Anhebung Mitte 2019 - Kommunikation im Fokus

EZB will Zins nicht vor 2019 erhöhen

Der EZB-Rat steckt auch Anfang 2018 im Dilemma zwischen überraschend starkem Wachstum und unerwartet niedriger Inflation. Die Euro-Stärke erschwert die Gratwanderung noch.ms Frankfurt – EZB-Präsident Mario Draghi hat Leitzinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) im Jahr 2018 praktisch ausgeschlossen. “Auf Basis der heutigen Daten und Analysen sehe ich sehr wenig Chancen, dass die Zinsen in diesem Jahr steigen könnten”, sagte Draghi gestern nach der ersten geldpolitischen Sitzung im neuen Jahr. Der EZB-Rat zeigte sich zwar noch einmal zuversichtlicher für das Wachstum, sieht sich beim Erreichen des 2-Prozent-Inflationsziels aber noch nicht am Ziel. “Können wir den Sieg verkünden? Die Antwort ist: Nein, noch nicht”, sagte Draghi. Die Inflation lag zuletzt bei 1,4 %, soll aber laut EZB bis Ende 2020 auf 1,8 % ansteigen.Zuletzt hatten unter Marktteilnehmern Spekulationen zugenommen, die EZB könnte das Anleihekaufprogramm (Quantitative Easing, QE) nach Ende September abrupt beenden und noch vor Jahresende die Zinsen anheben – zumindest aber den negativen Einlagensatz von aktuell – 0,4 %. Grund für die Spekulationen war nicht zuletzt das Mitte Januar veröffentlichte Protokoll der Dezember-Sitzung. Das wurde vielfach so interpretiert, dass zentrale Änderungen in der EZB-Kommunikation schon gestern erfolgen könnten und damit auch ein QE-Ende sowie Zinserhöhungen früher möglich seien.Draghi widersprach solchen Interpretationen. Er sagte explizit, dass viele EZB-Ratsmitglieder überrascht gewesen seien von der Interpretation. Gestern ließ der EZB-Rat alle zentralen Bestandteile seiner Kommunikation unverändert. Die Diskussion über Änderungen habe gestern noch nicht begonnen, so Draghi.Im Mittelpunkt steht etwa das einseitige Versprechen, QE falls nötig erneut zu verlängern oder aber das monatliche Kaufvolumen von 30 Mrd. Euro wieder aufzustocken – der “Easing Bias”. Zudem geht es um die Verknüpfung zwischen den QE-Nettokäufen und dem Erreichen des Inflationsziels von unter, aber nahe 2 %. Eine Reihe Ratsmitglieder wollen die Bedeutung der Nettokäufe mindern und stärker auf alle Instrumente abstellen. Und drittens ist da der Zinsausblick (Forward Guidance), nach dem die Leitzinsen bis “weit” nach Ende der Nettokäufe auf den aktuellen Rekordtiefs verharren sollen.Eine Änderung in der Kommunikation gilt als Voraussetzung dafür, dass die EZB die QE-Käufe beenden kann. Bislang sind diese bis mindestens Ende September 2018 beschlossen, aber der Rat hat explizit kein Enddatum gesetzt – anders als etwa von Bundesbankpräsident Jens Weidmann gefordert. Draghi sagte gestern, nach September gebe es drei Optionen: ein sofortiges Ende, eine erneute Verlängerung oder ein langsames Auslaufen (“Tapering”). Damit relativierte er Aussagen nach der Oktober-Sitzung, als er nach verbreiteter Interpretation ein abruptes Ende ausgeschlossen hatte. Bereits im Dezember war er da zurückgerudert.Draghi betonte die “fundamentale Bedeutung” der Forward Guidance zu den Zinsen und der Formulierung “weit”. Er machte aber erneut nicht klarer, was das bedeutet. Er sagte jedoch, dass Zinserhöhungen 2018 kaum anstehen dürften. Bundesbankchef Weidmann hatte zuletzt gesagt, dass Markterwartungen für Zinsanhebungen Mitte 2019 “grosso modo” in Einklang mit der Forward Guidance stünden. Darauf angesprochen, ob das die Meinung des Rats sei, sagte Draghi: “Auf Basis der heutigen Daten ist das die Antwort.”Der EZB-Rat zeigte sich gestern besorgt über die Euro-Stärke. Das sei ein Unsicherheitsfaktor mit Blick auf die Inflationsentwicklung, den es zu beobachten gelte, hieß es im Statement. Die gleiche Formulierung hatte der Rat im September benutzt, als der Euro rasch über die Marke von 1,20 Dollar geklettert war, sie dann später aber wieder gestrichen. Vor gestern hatte es von EZB-Vertretern unterschiedliche Einschätzungen zur Euro-Aufwertung gegeben. Draghi sagte nun grundsätzlich, dass die Meinungsverschiedenheiten im EZB-Rat inzwischen sehr viel weniger existenziell seien als früher der Fall.Überraschend offen kritisierte Draghi US-Finanzminister Steven Mnuchin, der einen Tag vor der EZB-Sitzung über die Vorteile eines schwachen Dollar für die US-Wirtschaft gesprochen und damit weltweit für Aufsehen gesorgt hatte (vgl. BZ vom 25. Januar). Gestern äußerte sich Mnuchin erneut zum Greenback, ohne internationale Sorgen ausräumen zu können.EZB-Präsident Draghi wies entschieden und länglich Kritik zurück, die EZB bevorzuge mit ihren QE-Käufen einzelne Länder wie Italien oder Frankreich. Er verwies unter anderem darauf, dass der Bestand an deutschen Papieren aktuell sogar oberhalb des Anteils Deutschlands am EZB-Kapitalschlüssel liege.