EZB zieht QE unbeirrt durch

Draghi dämpft "Tapering"-Diskussion - Notenbank will durch Volatilität an Märkten "hindurchschauen"

EZB zieht QE unbeirrt durch

Von Mark Schrörs, FrankfurtDie Europäische Zentralbank (EZB) sieht aktuell keinerlei Anlass für Änderungen an ihrem umstrittenen Wertpapierkaufprogramm (Quantitative Easing, QE) – und zwar weder in Richtung einer Reduzierung oder gar eines vorzeitigen Endes der Käufe noch in Richtung einer Ausweitung. Das hat EZB-Präsident Mario Draghi nach dem Treffen der Euro-Hüter am Mittwoch klargemacht. Das kulminierte in der Aussage von der “Notwendigkeit eines fortgesetzt stabilen geldpolitischen Kurses” (“steady monetary policy course”).Was eine Reduzierung (“Tapering”) oder ein vorgezogenes Ende der bis September 2016 vorgesehenen Käufe in Höhe von monatlich rund 60 Mrd. Euro betrifft, gibt es solche Spekulationen an den Märkten bereits seit einiger Zeit. Hintergrund sind die verbesserte Konjunkturlage im Euroraum und das Anziehen der Inflation, die im Mai gar für viele überraschend auf 0,3 % geklettert ist. Hinzu kommen Sorgen vor neuen Preisblasen an den Märkten.Draghi betonte nun aber im Namen des EZB-Rats, dass die verbesserte Lage gerade auch auf QE zurückgehe. Die Käufe hätten die Finanzierungsbedingungen verbessert und die Inflationserwartungen steigen lassen – wodurch der Realzins sinkt. Zudem fuße die Annahme einer weiteren Erholung, wie sie auch die EZB-Volkswirte vorhersagen (siehe Grafik), auf der “vollständigen Umsetzung” aller geldpolitischen Maßnahmen. Trotz der fast unveränderten Prognosen zeigte sich der EZB-Rat zudem etwas skeptischer zur Wirtschaft. So wurde die Erwartung, dass sich die Erholung “allmählich festigt”, im Eingangsstatement gestrichen. Draghi sagte, die Wirtschaft habe an Schwung verloren. Als Grund nannte er die schwächere Weltkonjunktur. Die Risiken wurden aber erneut als zwar “nach unten gerichtet”, aber “ausgewogener” bezeichnet.Gegen jegliches “Tapering” spricht auch die EZB-Einschätzung zur Inflation. Draghi betonte, dass der Anstieg der Teuerungsrate im Mai zwar viele an den Märkten überrascht habe, aber nicht die EZB. Allerdings hoben die EZB-Volkswirte ihre 2015er Prognose an (siehe Grafik). Insbesondere den Anstieg der Kernrate ohne Energie und Lebensmittel von 0,6 % auf 0,9 % hatte kaum jemand vorausgesagt. Draghi sagte zudem, dass dieser Anstieg den EZB-Rat eher bestärke, dass QE die “richtige Entscheidung” gewesen sei. Zudem sagte er, dass die EZB mit Blick auf ihr Inflationsziel von knapp 2 % “noch einen langen Weg zu gehen” habe – trotz der für 2017 prognostizierten 1,8 %. Die EZB wolle ihr Ziel nachhaltig erreichen. Von Exit-Diskussionen sei der Rat weit entfernt.Schließlich betonte Draghi erneut, dass die EZB nicht daran denke, ihre Geldpolitik zu straffen wegen möglicher Übertreibungen an den Märkten. Im Notfall müsse die makroprudenzielle Aufsicht agieren. Im EZB-Rat ist das aber durchaus umstritten.So, wie Draghi keine Signale für ein “Tapering” aussandte, gab er aber auch keine Hinweise für eine Ausweitung. Bemerkenswert ist das vor allem, weil einige Beobachter nach dem Ausverkauf an den Anleihemärkten und der gestiegenen Volatilität insgesamt auf andere Töne gesetzt hatten. Hoffnungen, die EZB könne marktberuhigend eingreifen, wurden somit enttäuscht. Das verunsicherte viele Anleger, wie die Reaktionen bei Euro und Anleihen zeigten.Draghi betonte sogar explizit, dass eine höhere Volatilität in Zeiten niedriger Zinsen normal sei: “Wir sollten uns an Phasen höherer Volatilität gewöhnen.” Der EZB-Rat sei “einhellig” der Einschätzung gewesen, dass er durch die jüngsten Entwicklungen “hindurchschauen” sollte.Angesprochen auf den starken Anstieg der Renditen bei Euro-Staatsanleihen sagte Draghi, es gebe verschiedene mögliche Erklärungen: den verbesserten Wirtschaftsausblick, steigende Inflationserwartungen und technische Faktoren wie etwa eine geringere Marktliquidität. Mit einer Einschätzung, welche die wahrscheinlichste sei, hielt er sich zurück. Es gebe auf jeden Fall keine Pläne, den geldpolitischen Kurs zu ändern.In dem Zusammenhang sagte Draghi aber auch, dass “wenn überhaupt” die EZB eher bereitstehe, falls nötig ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Auf Nachfrage verwies er auf die Möglichkeit einer unerwünschten Straffung der Finanzierungsbedingungen oder einer Verschlechterung des Ausblicks für Wachstum und Inflation: “Aber ganz offen, bislang sehen wir dafür keinen Grund.”Die Tendenz der EZB also scheint – wenn überhaupt – aktuell eher in Richtung einer Ausweitung von QE zu gehen. Eine Notwendigkeit aber sieht der Rat dafür noch nicht. Oder um es mit Draghi zu sagen: “Wir schätzen es so ein, dass unser aktueller geldpolitischer Kurs angemessen ist, um unsere Ziele zu erreichen.”—– Bericht Seite 17