Geldpolitik

EZB-Zinsdebatte nimmt nach Sommerpause wieder Fahrt auf

Lange Zeit war es relativ ruhig um die EZB – die Euro-Notenbanker weilten in der Sommerpause. Jetzt aber nimmt die Debatte über den weiteren Zinskurs wieder Fahrt auf. Dabei gibt es durchaus unterschiedliche Akzente und Signale.

EZB-Zinsdebatte nimmt nach Sommerpause wieder Fahrt auf

EZB-Zinsdebatte nimmt nach Sommerpause Fahrt auf

Bundesbankchef Nagel: Zu früh, um über Zinspause nachzudenken – Notenbanker Centeno: Wirtschaftsrisiken eingetreten

ms Frankfurt

Nach der Sommerpause nimmt die Debatte über weitere Zinserhöhungen der Europäischen Zentralbank (EZB) nun wieder richtig Fahrt auf. Zum Wochenausklang äußerten sich gleich mehrere Euro-Notenbanker – und setzten dabei teilweise unterschiedliche Akzente und Signale. Mit Spannung wurde am Freitagabend deutscher Zeit (nach Redaktionsschluss) die Rede von EZB-Präsidentin Christine Lagarde beim Fed-Symposium in Jackson Hole erwartet – nur wenige Stunden nach der Auftaktrede von Fed-Chef Jerome Powell (siehe Text oben).

Seit Juli 2022 hat die EZB wegen der hohen Inflation ihre Leitzinsen so aggressiv erhöht wie noch nie seit der Einführung des Euro 1999. Sie wurden bislang um 425 Basispunkte angehoben. Der Leitzins liegt mit jetzt 4,25% so hoch wie zuletzt zur Zeit der Weltfinanzkrise 2008, der aktuell noch wichtigere Einlagensatz bei 3,75%. Jetzt steht die EZB aber vor einem Dilemma: Die Inflation hat sich zwar seit Oktober 2022 von 10,6% auf 5,3% halbiert, sie liegt aber immer noch deutlich oberhalb des 2-Prozent-Ziels. Zugleich steuert die Euro-Wirtschaft jedoch laut jüngsten Daten auf Rezessionskurs.

Vor der Sommerpause hatte der EZB-Rat im Juli die Leitzinsen noch einmal um 25 Basispunkte erhöht, sich aber darüber hinaus nicht in die Karten schauen lassen. Für die nächste Sitzung am 14. September erscheinen eine weitere Zinserhöhung oder eine Pause denkbar. Für die EZB geht es nach dem anfänglichen Unterschätzen der zu hohen Inflation längst auch um ihre Glaubwürdigkeit und um das Vertrauen in das 2-Prozent-Ziel.

Bundesbankpräsident Joachim Nagel machte nun klar, dass er die Inflation nicht für so weit unter Kontrolle hält, dass eine Pause bei der geldpolitischen Straffung angebracht sei. „Es ist für mich viel zu früh, über eine Zinspause nachzudenken“, sagte er am Donnerstagabend in Jackson Hole zu Bloomberg TV. Maßgeblich seien die weiteren Daten in den kommenden Wochen. „Wir sollten nicht vergessen, dass die Inflation immer noch bei etwa 5% liegt. Das ist also viel zu hoch. Unser Ziel liegt bei 2%. Es bleibt also noch ein weiter Weg.“ Die Konjunktur verlangsame sich zwar, doch die Kerninflation bleibe stabil und der Arbeitsmarkt sei “wirklich ziemlich gut”, so Nagel, der zu den Hardlinern („Falken“) im EZB-Rat gehört.

Dagegen mahnte Portugals Zentralbankchef Mario Centeno, eine „Taube“, bei der Entscheidung über die nächsten geldpolitischen Schritte zur Vorsicht, da die zuvor identifizierten Risiken für die Wirtschaft nun Realität würden. Die Übertragung der Straffungskampagne der EZB sei “in vollem Gange”, und die Inflation sei schneller zurückgegangen als gestiegen, sagte Centeno in Jackson Hole zu Bloomberg TV. “Wir müssen dieses Mal vorsichtig sein, weil die Abwärtsrisiken, die wir im Juni in unserer Prognose identifiziert haben, eingetreten sind”, sagte Centeno. “Dies ist eine Umkehrung dessen, was während der Pandemieerholung geschah, denn normalerweise wurden wir nach oben hin überrascht.” Im Juni hatten die EZB-Volkswirte für 2023 und 2024 0,9% und 1,5% Wachstum vorausgesagt.

Mehr Daten nötig

Der kroatische Zentralbankchef Boris Vujcic sagte, dass die Währungshüter mehr Daten über den Verlauf der Inflation benötigten, um zu beurteilen, ob die Zinssätze weit genug angehoben wurden. „Wir befinden uns jetzt sicherlich im restriktiven Bereich“, sagte er in Jackson Hole zu Bloomberg TV. „Ob wir uns in einem ausreichend restriktiven Gebiet befinden, bleibt abzuwarten. Und das ist etwas, das man nur anhand der Inflationsdaten sehen wird, die in den nächsten Veröffentlichungen kommen werden.“ Während die Daten auf eine Abkühlung der Wirtschaftstätigkeit hindeuten, „sehen wir davon in den Inflationsraten nicht viel“, sagte Vujcic. Die Frage für die kommenden Monate werde sein, ob die Dienstleistungsinflation ausreichend nachlässt und „ob wir die Folgen der Verlangsamung auf dem Arbeitsmarkt spüren werden“.

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