Fast ein Fünftel mehr Firmenpleiten in Deutschland
Fast ein Fünftel mehr Firmenpleiten in Deutschland
Frühindikator lässt auf weiteren Anstieg schließen – Einzelhandel gilt als “Krisendauerbrenner”
ba Frankfurt
Die Insolvenzzahlen in Deutschland steigen, doch die lange befürchtete Insolvenzwelle rollt trotz der schwächelnden Konjunktur weiter nicht an. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) legte die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen im Mai um 3,1% im Jahresvergleich zu. Im April waren es 4,8% mehr als im Vorjahr. Diese Verfahren schlagen sich allerdings erst nach der ersten Entscheidung des Insolvenzgerichts in der amtlichen Statistik nieder, wie die Statistiker betonen. Der tatsächliche Zeitpunkt des Insolvenzantrags liegt in vielen Fällen drei Monate davor. Die Insolvenzstatistik bildet nur Geschäftsaufgaben ab, die im Zuge eines Insolvenzverfahrens ablaufen – nicht aber jene aus anderen Gründen beziehungsweise vor Eintritt akuter Zahlungsschwierigkeiten.
Im ersten Quartal haben die deutschen Amtsgerichte nach endgültigen Ergebnissen 4.117 beantragte Unternehmensinsolvenzen gemeldet. Das sind 18,2% mehr als zu Jahresbeginn 2022. Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger sind ebenfalls kräftig gestiegen, und zwar von rund 3,9 Mrd. Euro im Vorjahr auf rund 6,7 Mrd. Euro. Die Verbraucherinsolvenzen haben hingegen im Jahresvergleich um 2,1% abgenommen.
Mit Blick auf die Wirtschaftsbereiche war die Insolvenzhäufigkeit mit 26 Fällen je 10.000 Unternehmen bei Verkehr und Lagerei am höchsten. Laut Destatis folgten die Bereiche Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden sowie sonstige wirtschaftliche Dienstleistungen wie etwa Zeitarbeitsfirmen mit jeweils 20 Fällen. Die geringste Insolvenzhäufigkeit mit nur einer Insolvenz je 10.000 Unternehmen gab es in der Energieversorgung. Insgesamt gesehen gab es im ersten Quartal zwölf Unternehmensinsolvenzen je 10.000 Unternehmen.
Der Berufsverband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) sieht nach dem Auslaufen der Corona-Hilfen Krankenhäuser und die stationäre Pflege besonders unter Druck. Das Ausbleiben weiterer staatlicher Förderungen würde in diesem Bereich zu einem deutlichen Anstieg der Insolvenzen führen. “Mit dem Ziel der Neuausrichtung der Krankenhauslandschaft nimmt die Bundesregierung die Insolvenz von Krankenhäuser bewusst in Kauf”, mutmaßt VID-Vorsitzender Christoph Niering. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) verwies erst vor wenigen Tagen darauf, dass rund 25% aller Krankenhäuser insolvenzgefährdet seien. Erhöhten Beratungsbedarf bei einigen Unternehmen macht der VID aber auch in der Baubranche, bei Automobilzulieferern und im “Krisendauerbrenner” Einzelhandel aus. Diese würden “nach wie vor mit den erhöhten Zinsen und dem veränderten Konsumverhalten kämpfen”, so Niering.