FDP und Ifo wollen Steuertarif auf Rädern

Automatische jährliche Anpassung gefordert

FDP und Ifo wollen Steuertarif auf Rädern

wf Berlin – Die FDP verlangt eine grundlegende Tarifkorrektur bei der Lohn- und Einkommensteuer und die Entlastung der Mittelschicht. Der Tarif solle jährlich automatisch an Inflation und reale Einkommensentwicklung angepasst werden, forderte FDP-Vorsitzender Christian Lindner vor der Presse in Berlin. Damit will die Partei die kalte Progression endgültig beseitigen. Rund 70 Mrd. Euro flossen seit 2010 zusätzlich an Steuern an den Fiskus. “Wir können nicht zulassen, dass der Staat das Einkommen der Menschen kontinuierlich absorbiert”, unterstrich Lindner. Zudem sei die Beseitigung der kalten Progression ein wichtiger Impuls für private Investitionen.Die Forderung der FDP stützt ein Gutachten des Ifo-Instituts. Dieses hatte die Fraktionsvorsitzendenkonferenz der Liberalen mit dem Ziel in Auftrag gegeben, das Ausmaß der kalten Progression zu quantifizieren, ökonomisch zu bewerten und Reformoptionen aufzuzeigen. Durch die kalte Progression partizipiert der Fiskus besonders stark an Lohnerhöhungen, weil der Steuerpflichtige in höhere Progressionszonen des Einkommensteuertarifs rutscht. Ifo-Präsident Clemens Fuest bezifferte die Zusatzeinnahmen des Staates durch die kalte Progression im weiteren Sinne auf 70,1 Mrd. Euro für die Jahre 2011 bis 2016. Bei dieser Betrachtung legte das Ifo-Institut den Effekt steigender Reallöhne zugrunde. In der öffentlichen Debatte geht es meist nur um die kalte Progression im engeren Sinne, also den Preissteigerungseffekt oder die Inflationskomponente in den Lohnsteigerungen. In diesem Fall summieren sich die Steuermehreinnahmen auf 33,5 Mrd. Euro von 2011 bis 2016. Nach vorn geblickt, sorgt der Effekt von 2017 bis 2030 für 316 Mrd. Euro mehr Steuereinnahmen bei der kalten Progression im engeren Sinne und von 434 Mrd. Euro bei der im weiteren Sinne.Die Betrachtung der steigenden Reallöhne – und nicht nur der Preissteigerung – sei geboten, argumentiert Fuest, weil nur so die Steuerquote konstant bleibe. Bei einem “Tarif auf Rädern”, also einer automatischen Anpassung, wüchsen die Steuereinnahmen dennoch weiter. Selbst bei der erweiterten Sicht legten die Staatseinnahmen proportional zum Wachstum und zu den Reallohnsteigerungen zu. Der Effekt der kalten Progression ist Fuest zufolge ungleich verteilt. Steuerzahler mit unteren und mittleren Einkommen trifft es besonders hart. So werde ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahresbruttogehalt von 25 000 Euro in der untersuchten Periode durch die kalte Progression im weiteren Sinne mit 36,8 % belastet; bei einem identischen Haushalt mit einem Bruttoeinkommen von 100 000 Euro liege der Effekt nur bei 4,2 %.