Fed gespalten wie selten zuvor

Trotz wachsenden internen Widerstands gilt die dritte Zinssenkung in diesem Jahr als wahrscheinlich

Fed gespalten wie selten zuvor

Die US-Notenbank steht am Scheideweg: Eine dritte Zinssenkung im laufenden Jahr gilt als sicher und wird aller Voraussicht nach kommenden Mittwoch beschlossen werden. Wie es danach weiter gehen wird, ist aber völlig ungewiss, und selten waren die Währungshüter so gespalten.Von Peter De Thier, WashingtonSo hatte sich Jerome Powell seinen Job wohl kaum vorgestellt, als er im Februar vergangenen Jahres von Janet Yellen das Ruder bei der US-Notenbank in Washington übernahm. Damals stand Powell einem brummenden Arbeitsmarkt, robustem Wachstum und Sorgen vor einer möglichen Überhitzung gegenüber. Viermal während seiner ersten zehn Monate im Amt schraubte die Fed den Leitzins um jeweils 25 Basispunkte hoch.Dann aber wendete sich das Blatt. Die von US-Präsident Donald Trump angezettelten Handelskonflikte lasteten auf der Wirtschaft und hemmen auch heute das Wachstum, insbesondere im verarbeitenden Gewerbe. Außerstande, jemals selbst die Verantwortung zu übernehmen, schob Trump der Notenbank den Schwarzen Peter zu und drängte Powell, sich für Zinssenkungen einzusetzen.Etwas mehr als halbes Jahr lang konnte sich der oberste Währungshüter dem Druck und der Welle der Kritik, die ihm aus dem Weißen Haus entgegenschlug, widersetzen. Er verwies auf die Unabhängigkeit der Fed und bekräftigte, sich niemals politischen Zielen unterordnen zu lassen. Zwischenzeitlich hat der Offenmarktausschuss (FOMC) der Zentralbank aber zweimal den Geldhahn wieder aufgedreht. Orientiert man sich am Fed Watch Tool der Options- und Terminbörse CME Group, dann liegt die Wahrscheinlichkeit einer dritten Lockerung bei der kommende Woche anstehenden FOMC-Sitzung bei über 93 %.Im Gegensatz zu früher gehört allerdings jene Ära, in der die Fed Gouverneure an einem Strang ziehen und geldpolitische Beschlüsse einstimmig gefasst werden, der Vergangenheit an. Ende Juli votierten zwei der stimmberechtigten Mitglieder des Lenkungsgremiums gegen die Zinssenkung. Im September stemmten sich dann drei gegen den Mehrheitsentscheid, den Zielkorridor für den Tagesgeldsatz auf 1,75 bis 2,0 % herunterzuschrauben.Wie auch zuvor betonten Esther George und Eric Rosengren, die Präsidenten der Fed von Kansas City und Boston, dass die Konjunktur keine geldpolitischen Impulse brauche. Die Kansas-City-Fed-Chefin hat wiederholt die Ansicht vertreten, “dass Sorgen um zu niedrige Inflation, der man mit Zinssenkungen entgegenwirken müsste, unbegründet sind”.Rosengrens und Georges Dissens schloss sich im September auch James Bullard an, der den Fed Ableger in St. Louis leitet. Dass Bullard nicht deswegen aus der Reihe tanzte, weil er die Lockerung für unnötig hielt, sondern vielmehr dafür plädiert hatte, den Geldhahn noch weiter aufzudrehen, unterstreicht, wie tief der Spalt im Direktorium der Fed mittlerweile ist.Unterstrichen werden die Differenzen von der offenbar völlig unterschiedlichen Bewertung der Konjunkturaussichten. So meinten vergangenen Monat lediglich sieben der zwölf FOMC-Mitglieder, von denen nur zehn Stimmen abgeben, dass man im laufenden Jahr ein weiteres Mal die Zügel lockern sollte. Charles Evans, Präsident der Chicago Fed hob hervor, dass “wir die Grenzen der Geldpolitik erkennen müssen” und man bis Ende 2020 auf weitere Senkungen verzichten sollte. Diese Ansicht, dass marginale Zinsschritte kaum auf die Gesamtwirtschaft durchschlagen, vertraten bei der jüngsten Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) auch führende US-Banker. Letzter Schritt für lange ZeitZwar hat selbst Esther George seinerzeit eingeräumt, dass sie “bereit wäre, umzudenken, wenn US-Verbraucher nachhaltig an Vertrauen einbüßen”. Signale hierfür lieferte vergangenen Monat das Forschungsinstitut Conference Board. Dessen Index des Verbrauchervertrauens brach im September stark ein, während die Umfrage der Universität Michigan ergab, dass sich die Stimmung bei Konsumenten wieder aufgehellt hat. Ob mit oder ohne Georges Stimme scheint die Zinssenkung eingetütet zu sein, könnte aber zugleich die letzte Lockerung für einen längeren Zeitraum sein.