Fed legt Zinspause ein und überrascht mit Ausblick
Nach zehn Zinserhöhungen in Folge um insgesamt 500 Basispunkte seit März 2022 lässt die US-amerikanische Notenbank dieses Mal den Leitzins unangetastet. Er bewegt sich damit weiter in der Spanne von 5,0% bis 5,25%. Die Mehrheit der Analysten hatte mit diesem Schritt gerechnet. „Die Entscheidung, die Zinsen nicht zu ändern, erfolgte aus Vorsicht“, sagte Fed-Chef Jerome Powell auf der Pressekonferenz im Anschluss an den Zinsentscheid. „Die Folgen der Straffungen sind noch nicht voll spürbar“.
Gleichzeitig signalisieren die Währungshüter jedoch, dass die Zinsen bis zum Jahresende wohl noch steigen werden – und zwar möglicherweise sogar um insgesamt 50 Basispunkte. Statt bei 5,1% peilt die Fed im Mittel in ihrer neuen Projektion nun ein Zinsniveau bis zum Jahresende von 5,6% an. „Die Fed möchte trotz der Leitzinspause keineswegs den Eindruck einer zu lockeren Notenbank erwecken“, kommentiert Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. Powell wies jedoch bei der Pressekonferenz darauf hin, dass die Projektion nicht die geldpolitische Entscheidung vorweg nehme. Entschieden werde von Sitzung zu Sitzung.
Inflation geht weiter zurück
Die US-Inflation war im Mai erneut deutlich gesunken. Mit 4,0% nähert sie sich allmählich dem 2%-Inflationsziel der Fed. Im April hatte die Teuerungsrate noch bei 4,9% gelegen. Zudem war das Lohnwachstum am US-Arbeitsmarkt zuletzt eher moderat ausgefallen, was die Konsumausgaben und damit auch den Inflationsdruck bremsen dürfte.
Mit der Zinspause beobachtet die Fed nun, welche Auswirkungen der steilste Zinserhöhungskurs seit 40 Jahren auf die weitere Entwicklung der Verbraucherpreise, aber auch auf die Real- und Finanzwirtschaft haben wird. Das Wirtschaftswachstum in den USA hatte im ersten Quartal deutlich an Schwung verloren. Eine schwächere Konjunktur senkt die Nachfrage nach Gütern, was ebenfalls den Inflationsdruck reduziert. Zudem dürfte die Fed aufmerksam verfolgen, wie sich die verschärften Finanzierungskonditionen auf die US-Banken auswirken, vor allem auf kleinere und regionale Institute.
Ein Fed-Bericht aus dieser Woche zeigt, dass einige Banken zunehmend Finanzmittel aus dem „Bank Term Funding Programm“ abrufen. Die aus diesem Programm bezogene Liquidität ist die fünfte Woche in Folge gestiegen und hat mit 100,2 Mrd. Dollar einen Höchststand erreicht. „Auch die Refinanzierungsbedingungen im gewerblichen Immobiliensektor geben Anlass zur Sorge“, schreibt Franck Dixmier, Global CIO Fixed Income bei Allianz Global Investors, in einer Analyse vor dem Fed-Zinsentscheid.
Zinserhöhung im Juli möglich
Dennoch gibt es auch Punkte, die für eine erneute Zinserhöhung um 25 Basispunkte bei der nächsten Zinssitzung im Juli sprechen. Die Kerninflation, die als Gradmesser für den zugrundeliegenden Preisdruck gilt und die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise ausklammert, ist im Mai um 0,4% im Vergleich zum April gestiegen. Mit 5,3% im Jahresvergleich liegt die Kerninflation in den USA über der Gesamtrate und verdeutlicht, dass es noch dauern dürfte, bis das Inflationsziel der Fed erreicht ist.
Zudem verliert die US-Wirtschaft zwar an Schwung, ist aber weiter überraschend robust. „Da die Projektionen der Notenbank in 2023 eine etwas robustere Konjunktur signalisieren als bislang angenommen, dürfte es sich tatsächlich nur um eine Pause bei Zinserhöhungen handeln“, sagte Michael Heise, Chefökonom von HQ Trust. Das viel beachtete FedWatch-Tool der CME Group bezifferte die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung um 25 Basispunkte im Juli vor der heutigen Sitzung auf 60%. Inzwischen hat sie diesen Wert auf fast 70% angehoben.