Finanzrechtsexpertin fordert mehr Kontrolle der EZB
Von Julia Wacket, FrankfurtTheresa May hat es getan, Marine Le Pen ebenso, Donald Trump sowieso. Sie alle haben die aus ihrer Sicht schlechte Geldpolitik ihrer nationalen Notenbanken kritisiert. Attacken auf Zentralbanken, die laut Meinung der Politiker nicht ihr Mandat erfüllen oder es überschreiten, sind in den letzten Jahren immer häufiger vorgekommen. Sie sind auch Angriffe auf die Unabhängigkeit der Notenbanken. In Frankfurt widmete sich gestern Rosa María Lastra, Professorin für Internationales Finanz- und Währungsrecht an der Queen Mary University in London, in einem Vortrag im House of Finance dem Thema. Sie und ihr Kollege, der Ökonom Charles Goodheart, stellen fest: Der Konsens, der die Unabhängigkeit der Zentralbanken im Streben nach einer preisstabilitätsorientierten Geldpolitik umgeben hat, wurde infolge der globalen Finanzkrise durch zwei Faktoren in Frage gestellt: einerseits durch den zunehmenden Populismus und andererseits durch die erweiterten Mandate der Zentralbanken. Die beiden Experten fordern mehr “juristische Überwachung” der Zentralbanken und haben für den Euroraum einen konkreten Vorschlag: Die Europäische Zentralbank (EZB) soll von einer spezialisierten Kammer im Europäischen Gerichtshof (EuGH), die sich mit geld- und finanzpolitischen Fragen auseinandersetzt, zur Rechenschaft gezogen werden. Schöne neue WeltDie “soziale Legitimität”, also die Unterstützung der Zentralbanken durch die Öffentlichkeit, sei durch den Populismus geschwächt worden, so Lastra. Auch habe durch die erweiterten Mandate der Konsens über das geldpolitische Ziel gelitten und damit auch der Anspruch der Notenbanken auf Unabhängigkeit. Mit erweiterten Mandaten würden die Leute mehr Mechanismen fordern, um die Zentralbanken zu überwachen. Die Finanzrechtsexpertin, die schon den IWF und die EZB beraten hat, fordert mehr Überwachung der Hüter der Geldpolitik und Finanzstabilität. In der “schönen neuen Welt” des Zentralbankwesens gebe es mehrere Ziele, mehrere Instrumente und mehr Akteure. Das erhöhe die Rechenschaftspflicht der Notenbanken. Zwar sei die parlamentarische Kontrollinstanz der wichtigste Akteur in einer Demokratie, um die Notenbanken zur Rechenschaft zu ziehen. Doch leider erfüllten die Parlamente ihre Rolle oft nicht gut genug. Die Harvard-Absolventin Lastra ist enttäuscht von der parlamentarischen Kontrollinstanz der Eurozone in Sachen Geldpolitik, insbesondere von dem währungspolitischen Dialog zwischen dem zuständigen Ausschuss im Europaparlament und der EZB. Vier Mal im Jahr muss sich dort EZB-Präsident Mario Draghi den Fragen der Parlamentarier stellen. Bei dem Dialog gebe es “Raum für Verbesserung”, so Lastra. Oft stellten die Abgeordneten simple Verständnisfragen, statt Draghi kritisch zu befragen. “Es fühlt sich oft an wie eine Vorlesung statt wie ein kritischer Dialog”, so die Juristin. Lastra ist selbst Mitglied der monetären Expertengruppe des Europaparlaments und bereitet die Abgeordneten auf den Dialog vor. Gerade in Zeiten des Populismus, in denen die Unabhängigkeit von Zentralbanken in Frage gestellt wird, sei eine gerichtliche Überprüfung der Zentralbanken umso wichtiger. Die Spanierin fordert mehr kompetente Richter, die die komplexen Fragen der unkonventionellen Geldpolitik beurteilen können. Intensive Überwachung durch Richter sei in vielen anderen Wirtschaftsbereichen die Norm, etwa im Bereich der EU-Wettbewerbspolitik, dies müsse auch für die Geldpolitik gelten. Daher fordert sie die Errichtung einer spezialisierten Kammer innerhalb des EuGH, die sich mit der gerichtlichen Überprüfung geldpolitischer Entscheidungen der EZB befasst. Auch die Juristin musste sich bei ihrem Vortrag im House of Finance den kritischen Fragen der Studenten unterziehen. Ein Student fragte, ob ein Gremium von noch mehr Experten von den Populisten wirklich als Kontrollinstanz anderer Experten akzeptiert würde. Schließlich würden auch die Gerichte von den Populisten kritisiert. Lastra kontert: “Aber wer soll es sonst tun?” Auch sie wünsche sich in erster Linie eine verbesserte parlamentarische Kontrollinstanz, aber eine Änderung der EU-Verträge sei schwer durchzubringen. Die Parlamentarier sollten daher ihr eigenes Mandat ernst nehmen und mit gut vorbereiteten Fragen zu den Sitzungen erscheinen. “Allein wenn mehr Abgeordnete an dem Dialog teilnehmen würden, wäre das schon hilfreich.” Politiker seien nicht die Richtigen, um die EZB zur Rechenschaft zu ziehen, daher müssten es unabhängige Richter tun.