ANSICHTSSACHE

Finanztransaktionssteuer führt zu Wettbewerbsnachteilen

Börsen-Zeitung, 24.11.2018 Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron lässt bei der Finanztransaktionssteuer nicht locker. Nachdem 2013 ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission gescheitert ist - dieser sah vor, Geschäfte mit Aktien und...

Finanztransaktionssteuer führt zu Wettbewerbsnachteilen

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron lässt bei der Finanztransaktionssteuer nicht locker. Nachdem 2013 ein Richtlinienvorschlag der EU-Kommission gescheitert ist – dieser sah vor, Geschäfte mit Aktien und Anleihen mit einem Satz von 0,1 % und den Derivatehandel mit 0,01 % zu belegen -, nimmt die daraufhin gegründete Arbeitsgruppe zur verstärkten Zusammenarbeit nunmehr einen neuen Anlauf. An Bord sind aktuell noch Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Österreich, Portugal, die Slowakei, Slowenien und Spanien. Diskutiert wird derzeit die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausschließlich auf Aktien nach französischem Modell. Derivate und Anleihen sollen nicht besteuert werden.Gegen einen solchen Vorschlag haben sich die kleineren Länder in der Arbeitsgruppe bisher mit dem Argument gewandt, dass ihnen diese Abgabe nichts einbringen würde, denn börsennotierte Konzerne platzieren ihre Aktien in der Regel an den großen Finanzplätzen. Während das Steueraufkommen also im Wesentlichen in großen Ländern mit bedeutenden Finanzplätzen anfiele, würden die Bürokratiekosten alle teilnehmenden Länder belasten. An diesem Punkt setzt nun ein neuer Vorschlag des französischen Staatspräsidenten an. Kleineren Ländern soll die Finanztransaktionssteuer dadurch schmackhaft gemacht werden, dass sie die von ihnen abgeführte Finanztransaktionssteuer auf ihren EU-Beitrag anrechnen können sollen. Die Anrechnung soll dabei den Betrag der vereinnahmten Steuer übersteigen, um auf diese Weise auch die mit der Steuererhebung verbundenen administrativen Kosten zu berücksichtigen. Der Vorschlag könnte zugleich eine zweite Idee Macrons unterstützen, mit der Finanztransaktionssteuer den Grundstock für ein eigenes EU-Budget für den Euroraum zu schaffen, über das wohl insbesondere die EU-Kommission verfügen könnte. Probleme im EU-HaushaltDer neue Vorstoß löst allerdings keine der mit den bisherigen Plänen verbundenen Schwierigkeiten. Im Gegenteil, er schafft zusätzliche Probleme. So würde die Einführung eines außerhalb der bestehenden Budgetregeln geschaffenen Euro-Budgets wohl eine Vertragsänderung voraussetzen, die wenig realistisch erscheint. Alternativ wird deshalb in der Arbeitsgruppe über eine Umfinanzierung innerhalb des vorhandenen Rechtsrahmens nachgedacht. Was wären die Folgen? Die Anrechnung der von den kleineren Ländern abgeführten Finanztransaktionssteuern auf ihren EU-Beitrag in einem Umfang, der die tatsächlich abgeführte Finanztransaktionssteuer übersteigt, würde automatisch eine Minderabführung dieser Staaten im Verhältnis zu den von ihnen eingegangenen Verpflichtungen gegenüber der EU bedeuten. Dieser Differenzbetrag müsste ausgeglichen werden. In Betracht kommen hierfür nur die großen Teilnehmerländer, also Deutschland, Frankreich und Italien, die diesen Betrag zusätzlich zu den von ihnen abzuführenden Finanztransaktionssteuern an den EU-Haushalt abzuführen hätten. Im Ergebnis folgt hieraus eine Beitragserhöhung für die großen Teilnehmerstaaten. Dies wäre jedoch ein grundsätzlich anderes Finanzierungsmuster mit längerfristig großer Relevanz.Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer widerspräche dem Ziel, die Sparer zum Aufbau einer zusätzlichen betrieblichen wie privaten Altersvorsorge zu ermutigen. Betroffen wäre besonders die Fondsanlage. Gerade aktiv gemanagte Investmentfonds sind dafür bekannt, in Abhängigkeit von der Marktentwicklung Umschichtungen vorzunehmen, um ihre Erträge – von denen der Anleger profitiert – zu steigern. Die Kosten würden damit zulasten der vom Fonds erwirtschafteten Erträge gehen und somit von den Anlegern getragen werden müssen. Die ohnehin wenig ausgeprägte Aktienkultur in Deutschland würde steuerlich behindert. Während der Staat mit der einen Hand Zulagen zur Förderung zum privat finanzierten Aufbau einer privaten Altersversorgung gewährte, zöge er mit der anderen Hand zugleich wieder Steuern auf die Anlage in aktienbasierte Altersvorsorgeprodukte ein – ein widersprüchliches Ergebnis. Finanzplätze in Konkurrenz Erinnert sei zudem an die in Deutschland bis zum Jahr 1991 erhobene Börsenumsatzsteuer auf Aktien: Diese wurde im Jahr 1991 mit dem Argument abgeschafft, Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Finanzplatz London abzubauen und den Vorsprung vor anderen Finanzplätzen innerhalb und außerhalb Europas weiter auszubauen. Von einer Finanztransaktionssteuer würden jedoch jene Finanzplätze innerhalb und außerhalb Europas profitieren, die sich nicht an der Finanztransaktionssteuer beteiligen. Zehn von 28 Ländern in Europa sind nicht genug, um ein solch weitreichendes politisches Vorhaben rechtfertigen zu können – zumal konzeptionelle und praktische Probleme offensichtlich sind.Die Übernahme einer Finanztransaktionssteuer nach französischem Vorbild würde im Ergebnis den betroffenen Finanzmärkten und Finanzprodukten Wettbewerbsnachteile bescheren. Das Ziel der Politik, die Kapitalmarktfinanzierung für Unternehmen zu verbessern, würde konterkariert. Die Finanzierungskraft der Finanzmärkte zur Förderung von Wachstum und Beschäftigung würde damit beeinträchtigt. Die Bundesregierung verfolgt nicht erst seit der Brexit-Entscheidung das Ziel, den Finanzstandort Frankfurt zu stärken und Institute zur Verlagerung ihres Hauptsitzes nach Deutschland zu motivieren. Der Brexit könnte ein Auslöser für eine standortfördernde Politik zur Schaffung interessanter Arbeitsplätze am Finanzplatz Frankfurt sein. Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer gehört sicherlich nicht dazu.—-Gerhard Hofmann ist Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). In dieser Rubrik veröffentlichen wir Kommentare von führenden Vertretern aus der Wirtschafts- und Finanzwelt, aus Politik und Wissenschaft.—–Von Gerhard HofmannEine Finanztransaktionssteuer belastet die Altersvorsorge und steht einer verbesserten Kapitalmarktfinanzierung für Unternehmen entgegen.—–