LÄNDERREPORT: EL SALVADOR

Fiskalische Konsolidierung verhindert weiteres Abdriften

Wachstumsaussichten können aber nur über zusätzliche strukturelle Reformen aufgehellt werden - Bislang jedoch noch kein "großer Wurf" zu erkennen

Fiskalische Konsolidierung verhindert weiteres Abdriften

Von Mauro Toldo *) El Salvador durchlebt einen politischen Reifungsprozess. Noch vor zwei Jahrzehnten befand sich das Land im Bürgerkrieg. Nach dessen Ende wurde die Politik über mehr als zwei Jahrzehnte von den konservativen Kräften dominiert. Die rechtskonservative Partei Arena nutzte die Polarisierung als Mittel für den Machterhalt, und dies mit Erfolg. Vor drei Jahren hat aber mit Mauricio Funes ein Kandidat gezeigt, dass eine moderate Plattform auch zum Sieg bei den Präsidentschaftswahlen führen kann.Zwei Faktoren waren für seinem Wahlsieg besonders wichtig: Der Journalist setzte im Wahlkampf auf Versöhnung statt Spaltung. Zudem warb er für eine Fortsetzung der stabilitätsorientierten Wirtschaftspolitik seines Amtsvorgängers Antonio Saca. Dafür musste Funes die radikaleren Kräfte innerhalb seiner eigenen Partei, der linksgerichteten “Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí” (FMLN), im Zaum halten. Die Partei entstand als ein Zusammenschluss ehemaliger Guerilla-Kämpfern, die während der Diktatur und bis zum Ende des Bürgerkrieges aktiv waren. Die FMLN eint ein sehr breites, linksorientiertes Spektrum, das von moderat bis radikal reicht. Der Präsident selbst ist erst 2008 der Partei beigetreten und gehört dem moderaten Flügel an. Mehrheit eingebüßtPräsident Funes genießt nach drei Jahren im Amt eine anhaltend hohe Popularität. Noch zur Mitte des Jahres genoss er den Zuspruch von zwei Dritteln der Bevölkerung. Seine Partei verlor allerdings bei den Parlamentswahlen im März 2012 ihre Mehrheit an die konservative Arena. Der Sieg der Konservativen ist nicht weiter verwunderlich, da die Regierung sehr unpopuläre Maßnahmen durchsetzen musste. Unter anderem wurden Steuererhöhungen und Subventionskürzungen beschlossen, um eine weitere Verschlechterung der fiskalischen Kennzahlen zu verhindern.Das Land befindet sich seit der globalen Finanzkrise in einer wirtschaftlichen Notlage. Im Jahr 2009 schrumpfte die Wirtschaft um mehr als 3 %. Erst in diesem Jahr wird die salvadorianische Wirtschaftskraft ihr Niveau von vor der Krise wieder erreicht haben. Der Konsolidierungskurs muss also trotz der politischen Kosten fortgesetzt werden. Demnächst steht eine weitere Steuerreform auf der Tagesordnung, die dritte während der Amtszeit von Funes. Dieses Mal soll die Vermögenssteuer angehoben, viele Steuervergünstigungen gestrichen und eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Zudem sollen die Staatsausgaben außerhalb des sozialen Bereichs um ehrgeizige 10 % gekürzt werden. Da die Regierung die Mehrheit im Parlament verloren hat, muss der Präsident nun auf die Zusammenarbeit mit der Opposition setzen.Funes sieht die schmerzhafte fiskalische Konsolidierung als ein notwendiges Übel für Stabilisierung der Staatsfinanzen an. Die politischen Kosten soll die Regierungspartei aber nicht allein tragen. Deshalb hat die Regierung Mitte Oktober mit der Opposition ein Abkommen über die Verankerung der fiskalischen Verantwortung in der Verfassung des Landes geschlossen. Das wird der FMLN aber wohl kaum die verlorene Popularität zurückbringen. Allerdings vermeidet die Regierungspartei damit, für die weiteren unpopulären Einsparungen allein verantwortlich gemacht zu werden.Trotz der wiederholten Anstrengungen tut sich El Salvador schwer, die hoch gesteckten fiskalischen Ziele zu erreichen, weil die großen Einsparungen die Wachstumsaussichten des Landes dämpfen. Das geschieht zum Missfallen des Internationalen Währungsfonds (IWF), mit dem das Land seit 2010 ein vorsorgliches Beistandsprogramm vereinbart hat. Dieses Jahr dürfte das Budgetdefizit mit 3 % der Wirtschaftsleistung wieder einmal höher ausfallen, als die mit dem IWF vereinbarten 2,5 %. Ob die Zusammenarbeit mit dem IWF nach dem Auslaufen des aktuellen Programms im März 2012 fortgesetzt wird, ist deshalb unklar. Zumal die Kooperation auch innenpolitisch nicht unumstritten war. Um die Akzeptanz für diese Zusammenarbeit zu stärken, haben Regierung und der IWF bereits vor drei Jahren soziale Programmschwerpunkte gesetzt, beispielsweise neue Sozialtransfers für die arme Bevölkerung sowie ein auf Zeit beschränktes Beschäftigungsprogramm. Die neue politische Konstellation macht jedoch eine Einigung mit dem IWF weniger wahrscheinlich als zu den Zeiten der akuten Krise.Gegenwärtig kann sich El Salvador zwar aus eigener Kraft finanzieren. Es teilt aber die Probleme vieler anderen mittelamerikanischen Staaten: häufige Naturkatastrophen einerseits und die starke konjunkturelle Abhängigkeit von den USA andererseits. Diese hohe Anfälligkeit El Salvadors für externe Schocks erfordert einen finanziellen Puffer für Krisenzeiten. Solch einen Puffer hat das kleine mittelamerikanische Land ohne den IWF aber nicht. Die Situation wäre für El Salvador also angesichts der “fiskalischen Klippe” in den USA alles andere als entspannt. Von US-Politik abhängigWir rechnen damit, dass sich die politisch Verantwortlichen der USA einigen werden und somit die Klippe weitgehend umschifft werden kann. Das dürfte die Aussichten für El Salvador etwas aufhellen. Die USA sind bei Weitem der größte Absatzmarkt für salvadorianische Produkte. Bis vor wenigen Jahren gingen etwa zwei Drittel der Exporte dorthin, aktuell knapp die Hälfte. Gleichzeitig ist es das Hauptziel für salvadorianische Auswanderer. Geschätzt rund 2,3 Millionen Salvadorianer leben in den USA, bei einer Gesamtbevölkerung El Salvadors von nur 6,3 Millionen. In den vergangenen Jahren kamen nur wenige Wachstumsimpulse aus den USA. Dieser Trend dürfte sich in den kommenden Jahren umkehren, weil die USA ihre wirtschaftliche Schwäche langsam zu überwinden beginnen. Die Überweisungen der in den USA lebenden Salvadorianer an ihre Angehörigen werden nach unserer Einschätzung schon in diesem Jahr um rund 10 % gegenüber dem Vorjahr steigen. Das ist eine große Konjunkturstütze für El Salvador, denn diese Transfers machen insgesamt rund ein Sechstel seines BIP aus und sind für den Konsum vieler Familien essenziell.Positive Impulse aus dem Ausland sind derzeit sehr willkommen, denn die Spielräume für fiskalische und monetäre Stimuli aus dem Inland sind sehr eingeschränkt. Der Fiskalpolitik sind durch den Konsolidierungskurs die Hände gebunden. Die Zentralbank kann die Wirtschaft nicht stützen. Mit der Übernahme des Dollar als offizielles Zahlungsmittel im Jahr 2001 hat El Salvador die Geldpolitik als ein Steuerungsinstrument aufgegeben. Die Dollarisierung hat zwar zu einem deutlichen Rückgang der Inflation geführt. Trotzdem hat dieses Währungssystem Nachteile. El Salvador hat nicht nur die geldpolitische Autonomie aufgegeben, sondern seitdem auch durch eine reale Aufwertung gegenüber anderen Ländern in der Region an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt. Negativer Rating-TrendInsgesamt bleibt der Wachstumsausblick für das mittelamerikanische Land sehr schwach. Der politische Reifungsprozess hat in den vergangenen Jahren eine fiskalische Stabilisierung ermöglicht. Das allein reicht aber nicht aus. Für die Verbesserung der Bonitätseinschätzung ist ein höheres Wachstum erforderlich, das ohne strukturelle Reformen jedoch nicht erreicht werden kann. Der Weg der Reformen dürfte allerdings lang und steinig werden, wie zum Beispiel an der Position El Salvadors im Doing-Business-Indikator der Weltbank erkennbar ist (Rang 113 von 185). Für den Ausbau der Infrastruktur und die Schaffung neuer Arbeitsplätze muss das Land auch für ausländische Investoren attraktiver werden. Dazu muss allerdings der negative Rating-Trend gestoppt werden. Die Agenturen haben das fiskalische Abdriften und das geringe Wachstum des Landes mehrfach abgestraft. Die jüngste Herabstufung fand Anfang November durch Moody’s statt. Die Ratingagentur senkte die Bonitätseinstufung des Landes von “Ba 2” auf “Ba 3”. Noch Ende 2009 lag El Salvador bei Moody’s drei Noten besser und damit im Investment Grade. Standard & Poor’s hatte bereits Anfang 2011 die Bonitätseinschätzung der Anleihen des Landes in harter Währung von “BB” auf “BB -” gesenkt. Fitch bewertet die Bonität El Salvadors mit “BB” etwas besser als die beiden anderen Agenturen, hat im Juli 2012 aber seinen Rating-Ausblick auf “negativ” geändert. Kaum AnlageoptionenDas Spektrum für Finanzinvestitionen in El Salvador ist gering. Das Land verfügt über wenige liquide Anleihen, die an den internationalen Märkten gehandelt werden. Der von J. P. Morgan berechnete Index für Emerging-Markets-Anleihen (Embig) beinhaltet nur fünf Anleihen mit Fälligkeit zwischen 2019 und 2041 und einem nominalen Volumen von 500 Mill. bis 1 Mrd. Dollar je Anleihe. Dies entspricht 0,8 % des gesamten Indexes. Die Spreads liegen aktuell bei mehr als 400 Basispunkten. Wie auch beim Wachstumsausblick dürften die positiven Treiber für die Spreadentwicklung in den kommenden Jahren eher von außen kommen, etwa durch eine stärkere Erholung in den USA. Denn ein “großer Wurf”, der El Salvador wieder auf Kurs bringen könnte, ist leider nicht zu erkennen.—-*) Mauro Toldo ist Leiter Emerging Markets/Länderrisikoanalyse im Makro Research der DekaBank, Frankfurt.