NOTIERT IN BRÜSSEL

Flatrate für Manneken Pis

Das Logo zeigt Palmen und Möwen. Im kleinen Werbespot sind Kinder in Badehosen zu sehen, die Sandburgen bauen, und junge Männer und Frauen, die Beachvolleyball spielen, sich zu Salsa-Rhythmen unter freiem Himmel bewegen oder auf einem Partyboot in...

Flatrate für Manneken Pis

Das Logo zeigt Palmen und Möwen. Im kleinen Werbespot sind Kinder in Badehosen zu sehen, die Sandburgen bauen, und junge Männer und Frauen, die Beachvolleyball spielen, sich zu Salsa-Rhythmen unter freiem Himmel bewegen oder auf einem Partyboot in die Nacht starten. Willkommen im Brüsseler Sommer!Brüssel liegt zwar nicht am Meer – ja nicht einmal an einem Fluss. Denn die Stadtverwaltung – die Schildbürger lassen grüßen! – hat es tatsächlich in den vergangenen zwei Jahrhunderten fertiggebracht, die Senne, die durch Belgiens Hauptstadt Richtung Schelde fließt, komplett zu überbauen. Auch gibt es in ganz Brüssel kein einziges Freibad. Trotzdem präsentiert sich die Metropole dieser Tage als Strandbad. “Bruxelles-les-Bains” – sozusagen “Bad Brüssel” – heißt die Großveranstaltung unten am Kanal, an dessen Ufern die kommunalen Betriebe große Mengen an Sand haben aufschütten lassen, um das eigentlich triste Viertel in eine Mischung aus Bounty-Strand und Bacardi-Club zu verwandeln. Dazu gehört schon eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, um nicht zu sagen: Selbstbetrug. Sich als Sommerfrische auszugeben, wo doch jeder weiß, dass es sich in Brüssel selbst im Hochsommer lohnt, Pulli und Regenschirm mit sich zu führen. Was ist denn als Nächstes von diesem Stadtmarketing zu erwarten? Dass es Brüssel zum Höhenluftkurort umdefiniert und zum Festival der Bergsteiger einlädt? *Freilich, man kann der Stadtverwaltung nicht ernsthaft vorwerfen, dass sie Geld und Kräfte in diesen Open-Air-Vergnügungspark steckt. Denn mit Bibliotheken, Museen und Theatern lockt man in den Sommerferien nun mal niemand in die Stadt. Alle Welt strömt dieser Tage vor die Tür. An den unmöglichsten Plätzen wird unter freiem Himmel Alkohol ausgeschenkt. Im gesamten Stadtgebiet werden Parks zu Caipirinha-Bars umfunktioniert oder Kolonnaden – wie die vor dem Automobilmuseum – zu Dancefloors zweckentfremdet.Zu den exotischeren Projekten gehört dabei das “Dinner in the sky” im Jubelpark. Auf dem Platz vor dem großen Triumphbogen, den man sich ungefähr so vorstellen muss wie Belgiens Antwort auf das Brandenburger Tor, inszenieren seit einigen Jahren umtriebige Gastronomen jeweils im Frühsommer ein Abendessen mit besonderem Kick und Blick. Ein Kran zieht eine Tafel, an der knapp zwei Dutzend Gäste Platz finden, in luftige Höhen. Oben gibt es dann als Lohn für die Überwindung der Höhenangst ein leckeres 5-Gänge-Menü und jede Menge Schampus – für schlappe 260 Euro.Wer so viel Kleingeld gerade nicht bei der Hand hat, kann alternativ auf das Parking 58 ausweichen – ein Parkhaus um die Ecke von St. Catherine. Keine Sorge, wenn Sie weder an den Kassenautomaten noch an den Aufzügen irgendwelche Hinweise auf eine Dachterrassenbar finden – es gibt keine. Denn die Lounge unter freiem Himmel in der zehnten Etage funktioniert ohne Außenwerbung, vielmehr durchs Weitersagen in den sozialen Netzwerken. Auf Kunstrasen gibt es Mochito für drei Personen in der Plastikkanne. Ein Hinweis unter Freunden: Sie fallen auf, wenn Sie keine Sonnenbrille tragen – auch an bewölkten Tagen. *Der Parkhaus-Club ist deshalb der besonderen Erwähnung wert, weil dort erstmals eine womöglich epochemachende Geschäftsidee ausprobiert wird – die Toiletten-Flatrate. Gäste haben die Auswahl, ob sie jedes Mal, wenn sie aufs Klo gehen, 50 Cent bezahlen – oder sich für den ganzen Abend ein Pauschalticket (“forfait”) zum Preis von 2,50 Euro sichern. Sozusagen: All you can pee. Ganz sicher kein Zufall, dass diese Innovation natürlich aus der Heimatstadt von Manneken Pis stammt – und übrigens ja auch, was weit weniger Touristen wissen, aber mit Verweis auf die Geschlechtergleichheit in den achtziger Jahren ergänzt wurde, aus der Heimatstadt von Jeanneke Pis. Die Bronzestatue der kleinen Schwester von Manneken ist übrigens ein weiterer Beweis dafür, dass “Bad Brüssel” weniger mit Wasser zu tun hat (siehe oben) als vielmehr mit Wasser lassen.