Rechnungshof

„Flickwerk“ der EU-Finanzen in der Kritik

Der Europäische Rechnungshof moniert einen Wildwuchs an Geldtöpfen außerhalb des Haushalts. Inzwischen stößt die EU-Kommission mit ihrer Praxis, Kredite an EU-Staaten weiterzureichen, an Grenzen.

„Flickwerk“ der EU-Finanzen in der Kritik

rec Brüssel

„Ein Flickwerk, das weitere Vereinfachung und mehr Rechenschaftspflicht erfordert“: Der Europäische Rechnungshof zeigt sich beunruhigt über den Wildwuchs an Finanztöpfen auf EU-Ebene. Im Zuge mehrerer Krisen hätten sich die Finanzierungsinstrumente außerhalb des regulären Haushalts vervielfacht. Dadurch seien die EU-Finanzen unübersichtlich geworden. Inzwischen stößt die EU-Kommission mit ihrer Praxis, Kredite am Haushalt vorbei weiterzureichen, an Grenzen.

Das kritische Urteil der Prüfer ist auch als Mahnung mit Blick auf die gegenwärtige Finanzplanung zu sehen. Derzeit erarbeitet die EU-Kommission einen Zwischenbericht zu ihrem Budgetplan, der bis 2027 mehr als 1 Bill. Euro vorsieht. Sie will bestehende Töpfe aufstocken oder umwidmen, um die Energieförderung auszuweiten und staatliche Beihilfen zu erleichtern. In Rede steht auch ein neuer „Souveränitätsfonds“, der auf breite Skepsis stößt.

Die Prüfer des Rechnungshofs monieren ein „unsystematisches“ Vorgehen bei der Ausgestaltung der EU-Finanzlandschaft. Deren Kontrolle sei lückenhaft. Es seien verschiedene Finanzierungsquellen und unterschiedliche Regelungen zur Verwaltung der Töpfe gewählt worden, obwohl es dafür keine zwingenden Gründe gegeben habe. Die Prüfer empfehlen deshalb, mehr zu tun, um die Vielzahl verschiedener Fördertöpfe stärker im regulären EU-Haushalt zu konsolidieren. „Auch wenn es Gründe für die Schaffung dieser Instrumente gegeben hat, sind wir der Ansicht, dass eine weitere Vereinfachung der Finanzlandschaft und Stärkung der Rechenschaftspflicht notwendig sind, um Effizienz und Transparenz zu verbessern“, sagt François-Roger Cazala, der für den Sonderbericht zuständige Prüfer des Rechnungshofs.

Für das EU-Parlament ist der Bericht eine Art Steilvorlage, um mehr Kontrollmöglichkeiten einzufordern. Dieser mache „sehr deutlich, dass die Vielzahl an Haushaltsinstrumenten zu Unklarheit und fehlender Transparenz führt“, sagt Rasmus Andresen, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen. Der Rechnungshof fordert mehr Rechenschaft gegenüber dem EU-Parlament. Der kürzlich eingeführte Haushaltstransparenzbericht sei ein Schritt in die richtige Richtung, decke aber nicht alle Finanzierungsinstrumente ab.

Ladenhüter EU-Bonds

Meistens, so konstatieren die Prüfer, seien Töpfe aufgrund akuter rechtlicher, politischer oder wirtschaftlicher Umstände außerhalb des EU-Haushalts entstanden. So laufe es seit der Staatsschuldenkrise vor mehr als einer Dekade immer wieder. Dafür möge es zwar „triftige“ Gründe gegeben haben. Die EU-Kommission habe aber in der Beurteilung und Folgenabschätzung geschludert, ob es sich jeweils um die am besten ge­eignete Lösung gehandelt habe. Beispielsweise hat die EU-Kommission wiederholt die Kapitalmärkte angezapft, um die Mittel anschließend als Darlehen an Mitgliedstaaten weiterzureichen. Auf diese Weise tauchen sie nicht im EU-Haushalt auf, was laut EU-Verträgen verboten wäre.

Nach diesem Muster verfahren EU-Kommission­ und EU-Staaten auch mit dem Wiederaufbaufonds aus der Coronakrise. Dieser besteht aus Zuschüssen und Darlehen. Insbesondere die Kredite aus Brüssel erweisen sich allerdings als Laden­hüter. Der FDP-Europaabgeordnete Moritz Körner hat sich die Zahlen genauer angesehen: Gerade einmal sieben der 27 EU-Staaten hätten überhaupt von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, derartige Kredite in Anspruch zu nehmen. Diese flössen zu drei Vierteln nach Italien. Analysten wissen, warum: Eine Refinanzierung über die EU sei aufgrund der Zinswende inzwischen nur noch für südeuropäische Länder interessant. „Gegenüber dem Kernsegment handeln EU-Bonds mit einem Renditeaufschlag“, heißt es bei der DZ Bank.