DIE FOLGEN DER US-ZINSWENDE - KÖPFE DES JAHRES

Flüchtling

lz - Für manche Zeitgenossen ist er das Beste, das Deutschland passieren konnte: jung, engagiert, hoch gebildet, leicht in ein Arbeitsverhältnis vermittelbar. "Der Flüchtling", so ihre Argumentation, würde unser Demografieproblem mildern, den...

Flüchtling

lz – Für manche Zeitgenossen ist er das Beste, das Deutschland passieren konnte: jung, engagiert, hoch gebildet, leicht in ein Arbeitsverhältnis vermittelbar. “Der Flüchtling”, so ihre Argumentation, würde unser Demografieproblem mildern, den Fachkräftemangel beheben und schlechthin eine Bereicherung darstellen. Andere führen indes an, dass er zwar jung sei, aber vor allem eine eher geringe Grundbildung genossen habe, die angegebenen Facharbeiter- und Universitätsabschlüsse nicht mit dem Niveau hierzulande vergleichbar seien und der Aufwand riesig sei, diese Menschen in Jobs zu vermitteln, die ihnen Perspektive geben.Beide Zeitgenossen verkennen aber, dass es sich bei “dem Flüchtling” in erster Linie nicht um einen ökonomischen Faktor handelt, sondern um einen Menschen, der viel auf sich genommen hat, um nach Deutschland zu kommen. Der womöglich Frau und Kind zurückgelassen hat in der Hoffnung, sie später nachzuholen. Der vielfach unsägliches Leid durchgemacht hat im Bürgerkrieg, in den Flüchtlingslagern, und dabei die Hoffnung verloren hat auf eine Rückkehr in seine Heimat. Diese Perspektivlosigkeit treibt Menschen in die Flucht.Es waren die Industrieländer inklusive Deutschland, die Gelder für das UN-Flüchtlingswerk UNHCR gekürzt haben. Das hat die Lebensumstände in den Lagern verschlechtert. Es wurde nicht einmal versucht, den Bürgerkrieg in Syrien zu kalmieren, vielmehr wurden aus geostrategischen Interessen heraus einzelne Gruppen militärisch unterstützt. Natürlich schob man hehre Anliegen vor – die Stärkung der Demokratie- und Freiheitsbewegung. Der Frieden wurde dafür geopfert.In der globalisierten digitalisierten Welt schrumpfen die Entfernungen; jede Information (auch die “Einladung” der Bundeskanzlerin), jede Reiseroute ist nur einen Click entfernt. So braucht es nicht zu wundern, dass die Menschen jetzt vor unserer Türe stehen – auch als Mahnung für unsere Versäumnisse und Verfehlungen anderswo.Der Streit in der EU über die Flüchtlingspolitik zeigt auch, dass es um die europäische Verfassung nicht gut bestellt ist. Die Lobreden über Freiheit und Gerechtigkeit, über die Friedensgemeinschaft gelten nur für gute Zeiten – und wenn es nichts kostet. Im Flüchtlingsdrama zeigt Europa sein wahres Gesicht. Vielleicht schreckt das ja noch genügend auf, die Europa bislang viel zu sehr unter rein ökonomischen Gesichtspunkten betrachten.