ZEW-Studie sieht industrielle Basis schwinden

Forschungsintensive Branchen am meisten von Schließungen bedroht

Das ZEW warnt, dass mit dem Schließen forschungsstarker Unternehmen nicht nur die industrielle Basis schwindet. Es geht auch für die Zukunft entscheidende Innovationskraft verloren.

Forschungsintensive Branchen am meisten von Schließungen bedroht

Forschungsintensive Branchen
am meisten gefährdet

ZEW-Studie sieht industrielle Basis schwinden

ba Frankfurt

In der Konjunkturflaute des vergangenen Jahres haben zahlreiche Unternehmen ihr Geschäft aufgegeben – vor allem in der Industrie. Rund 176.000 Firmen haben geschlossen, wie eine Auswertung des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) und Creditreform zeigt. Ein Großteil davon sei „still und leise“ vollzogen worden. In lediglich 11% der Fälle sei es die Folge einer Insolvenzanmeldung gewesen. Im Jahresvergleich hat sich die Schließungszahl über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg um 2,3% erhöht. Seit 2021 verzeichnen Händler, konsumnahe Dienstleister und Gastronomen ebenso wie das Baugewerbe und das verarbeitende Gewerbe signifikant steigende Schließungszahlen.

„Verwaiste Ladenlokale und leere Schaufenster treffen die Menschen in ihrer Umgebung wirtschaftlich und auch emotional“, sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Wirtschaftsforschung bei Creditreform. „Die Schließungen in der Industrie aber treffen den Kern unserer Volkswirtschaft.“ Im verarbeitenden Gewerbe ist die Zahl der Schließungen 2023 um 8,7% auf 11.000 gestiegen. Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2004.

Gründungszahlen stagnieren

Alarmierend sei, so heißt es beim ZEW, dass damit nicht nur die industrielle Basis schwinde. Denn der Blick auf den Innovationsgrad zeige, dass die Zahl der Schließungen mit 12,3% in forschungsintensiven Wirtschaftszweigen deutlich stärker ansteigt als in nicht forschungsintensiven Bereichen. „In Branchen wie der Möbelherstellung oder der Produktion von Spielwaren und Sportgeräten verzeichnen wir sogar sinkende Schließungszahlen“, schreibt ZEW-Expertin Sandra Gottschalk. In anderen Bereichen, wie etwa der Chemie- und Pharmaindustrie, dem Maschinenbau und bei technologieintensiven Dienstleistungen würden jedoch mehr Unternehmen aus dem Markt ausscheiden. Zudem stünden dort den Schließungen stagnierende Gründungen gegenüber. „Wenn der Bestand nicht nachwächst, steigt die Zahl der Schließungen überproportional“, so Gottschalk.

2023 schlossen zudem im Baugewerbe 20.000 Firmen sowie rund 37.000 Handelsunternehmen.

Sorge um Innovationskraft

Der Rückgang des Unternehmensbestandes im verarbeitenden Gewerbe müsse dabei nicht unbedingt zu einem Rückgang der Produktionskapazitäten führen oder den Industriestandort schwächen – wenn sich Beschäftigung, Investitionen und Wertschöpfung stärker auf bestehende Unternehmen konzentrierten, heißt es in der Studie. Das Schrumpfen forschungsintensiver Branchen sei allerdings „keine gute Voraussetzung für notwendige Innovationen, die die Grundlage zukünftiger Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und für Wachstum sind“.

Auch wenn derzeit Turbulenzen bei prominenten und großen Unternehmen die Diskussion um eine mögliche Deindustrialisierung bestimmten – „das leise Sterben vieler kleinerer Betriebe und hoch spezialisierter Unternehmungen ist aber mindestens genauso folgenschwer“, betonte Hantzsch. Hohe Energie- und Investitionskosten, unterbrochene Lieferketten, Personalmangel und politische Unsicherheit seien für die Wirtschaft „ein toxischer Cocktail“.

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