Frankreich bricht EU-Defizitziele erneut

Sapin: "Außergewöhnliche Situation" in Euroland

Frankreich bricht EU-Defizitziele erneut

wü Paris – Frankreich wird die Defizitgrenze des EU-Stabilitätspakts erst 2017 einhalten – statt wie vergangenes Jahr versprochen bereits 2015. Das Defizit in diesem und im kommenden Jahr werde höher ausfallen als bisher angenommen, kündigte Finanzminister Michel Sapin gestern an. Er erwartet nun ein Defizit von 4,4 % für 2014 statt 3,8 % wie ursprünglich geplant. Im kommenden Jahr dann dürfte das Defizit 4,3 % statt 3 % betragen. Dass es 2014 noch höher ausfallen soll als vergangenes Jahr (4,3 %) begründete Sapin mit neuen Berechnungsmethoden. So werden beispielsweise Steuerförderungen anders verbucht. Er korrigierte zudem die Wachstumsprognose für dieses Jahr erneut nach unten, auf 0,4 % – nachdem er sie bereits im August von 1 % auf 0,5 % gesenkt hatte. Kein Rütteln an Einsparzielen”Wir wollen keine Modifizierung der europäischen Regeln, wir verlangen keinen Aufschub und keine Ausnahme”, sagte Sapin. Stattdessen begründete er den erneuten Aufschub des Defizitziels von 3 % von 2015 auf 2017 mit der “außergewöhnlichen Situation” in der Eurozone. Eine bewusst gewählte Formulierung, da laut europäischen Verträgen eine Abweichung von den Defizitzielen erlaubt ist, wenn “außergewöhnliche Umstände” vorliegen. Diese seien jetzt “gekennzeichnet von einem schwachen Wachstum kumuliert mit einer Abschwächung der Inflation, die keiner erwartet hat”. Die schwache Inflation belaste den öffentlichen Haushalt, da dadurch die Einnahmen geringer ausfielen und Sparanstrengungen neutralisiert würden.Die sozialistische Regierung werde sehr vorsichtig mit dem neuen Währungskommissar Pierre Moscovici vorgehen müssen, auch wenn er derjenige war, der 2013 als Finanzminister für Frankreich den bislang letzten Aufschub der Defizitziele erreicht hatte, meint derweil die Wirtschaftszeitung “Les Echos”. Sapin habe auch deshalb darauf beharrt, dass Frankreich nicht vom Kurs der Defizitbekämpfung abweiche und in den nächsten drei Jahren 50 Mrd. Euro einsparen sowie strukturelle Reformen einleiten wolle. Nach Ansicht von Experten hat Frankreich zwar erste Reformen begonnen, die aber nicht weit genug gehen.Die EU-Kommission erwarte von Frankreich, dass es in seiner Haushaltsplanung klar glaubhafte Maßnahmen spezifiziere, um die ehrgeizigen Einsparungen für 2015 und die Jahre danach wie geplant umzusetzen, sagte Kommissionssprecher Simon O’Connor. Paris muss Brüssel das Haushaltsprojekt bis Mitte Oktober zuschicken. Sapin will den Haushaltsentwurf 2015 am 1. Oktober im Ministerrat präsentieren. Ursprünglich sollte dies schon am 24. September erfolgen, doch Sapin verschob das Datum.—– Wertberichtigt Seite 8