Frankreich schämt sich
Es ist die Zeit der Bilanzen in Frankreich: Eine Parlamentsnachwahl und zwei große Branchentreffen rufen nach einer Analyse der Lage. Es ist aber auch die Zeit der Sorge um den eigenen guten Ruf. So sorgte Reindustrialisierungsminister Arnaud Montebourg für Beschämung, weil er für das überraschend starke Abschneiden eines Kandidaten der rechtsextremen Partei Front National am Sonntag die EU verantwortlich machte. Der Kandidat kam bei der Nachwahl für den Wahlkreis des früheren Budgetministers Jérôme Cahuzac, der wegen der Existenz geheimer Auslandskonten im Frühjahr zurücktreten musste, auf 46 % der Stimmen und wurde nur knapp vom Kandidaten der konservativen UMP-Partei geschlagen. EU-Kommissionspräsident Manuel Barroso sei “der Treibstoff der Front National”, giftete Montebourg. “Ich glaube, dass der Hauptgrund für das Erstarken der Front National damit zusammenhängt, dass die EU heute einen enormen Druck auf die demokratisch gewählten Regierungen ausübt”, argumentierte er. Zwar kamen seine Bemerkungen bei einem Teil der Franzosen an, und auch die sozialistische Regierungspartei rief ihn nicht zur Ordnung. Dafür hagelte es von der konservativen, aber auch linken Opposition heftige Kritik. Ganz davon abgesehen, dass seine Bemerkungen das Pariser Verhältnis zu Brüssel nicht gerade verbessern dürften. *Kritik hagelte es auch seitens der Organisatoren der Luftfahrtmesse von Le Bourget für die heimischen Mobilfunkbetreiber Orange und SFR. Denn auf dem weltweit wichtigsten Branchentreffen, das am Sonntag zu Ende ging, kam es immer wieder zu Aussetzern der Mobilfunknetze und des Internets. Nur das Netz von Bouygues Telecom funktionierte offenbar einwandfrei. “Wir sind wütend”, sagte Gilles Fournier, der Leiter der Messe, französischen Medien. “Wir verstehen nicht, wie zwei der größten französischen Telekomanbieter die weltweit größte Luftfahrtmesse im Stich lassen konnten, obwohl sie seit langem vorgewarnt waren.” Es sei wirklich eine Schande, dass das Mobilfunknetz nicht funktioniert habe, als Frankreich Gäste aus aller Welt auf der Messe empfangen habe, beklagt er. Damit habe Frankreich nicht gerade ein rühmliches Bild abgegeben, bedauert auch Emeric d’Arcimoles, der Generalkommissar der Messe. Einen kleinen Trost gab es aber: Trotz der Pannen konnten die Aussteller Aufträge im Volumen von 115 Mrd. Euro verkünden. *Ein erschreckendes Bild des Landes gaben die drei jungen Franzosen ab, die in der Nähe von Bordeaux in Südwestfrankreich sechs chinesische Önologie-Studenten angriffen und bedrohten. Der Vorfall sorgte kurz vor der Eröffnung der Vinexpo, der alle zwei Jahre in Bordeaux stattfindenden weltweit wichtigsten Messe der Wein- und Spirituosenbranche, für einen Eklat. Landwirtschaftsminister Stéphane Le Foll entschuldigte sich im Namen der Nation für den Überfall und verurteilte ihn als “fremdenfeindlichen Akt”. Der chinesischen Botschaft war das indes nicht genug. Sie forderte mehr Sicherheit für ihre Landsleute. Denn die sind mittlerweile in den französischen Weingegenden reichlich vertreten.China ist zum größten Exportmarkt für Weine aus Bordeaux geworden. 2012 verkauften französische Winzer ihre Tropfen für 800 Mill. Euro in das Reich der Mitte. Damit nicht genug. Mittlerweile kaufen sich immer mehr chinesische Investoren in Frankreichs Weingegenden ein. Seit Ende 2011 vergeht kein Monat, ohne dass ein Chinese in Bordeaux ein Château oder ein Weinhandelshaus übernimmt. In einigen Gegenden schürt das antichinesische Ressentiments.Gleichzeitig lösen auch die Drohungen Pekings, Weinimporte aus Europa mit Strafzöllen zu belegen, Sorgen aus – eine Reaktion Chinas auf die von Brüssel beschlossenen Steuererhöhungen für chinesische Solarzellen. Eine ernstzunehmende Drohung, meint Alain Sichel, der Präsident der Union des Maisons de Bordeaux, der die Weinhandelshäuser vertritt. Immerhin hängt in der südwestfranzösischen Stadt jeder sechste Arbeitsplatz von der Weinbranche ab.