Freihändler
mf – Im Jahr 2018 war Japans Premierminister Shinzo Abe wohl der wichtigste Schrittmacher für den Freihandel. Nach dem Ausstieg der USA aus der transpazifischen Partnerschaft TPP gab Abe nicht auf, sondern brachte dieses Freihandelsabkommen der Pazifikanrainerstaaten zusammen mit Australien zum Abschluss. Auch die schnelle Unterzeichnung und Ratifizierung des Wirtschaftsabkommens zwischen Japan und der Europäischen Union (Jefta) binnen sechs Monaten ist dem 64-jährigen Premier zu verdanken.Im neuen Jahr will Abe, der Japan seit sechs Jahren führt, seine Vorreiterrolle beibehalten. Beim G20-Gipfel Ende Juni im japanischen Osaka wird seine Regierung die Handelsbilanzen zum inhaltlichen Schwerpunkt machen. Dabei will Abe darauf dringen, dass Handelsdefizite durch multilaterale Absprachen statt durch bilaterale Verträge abgebaut werden. Handelsdefizite sind nach japanischer Ansicht strukturell bedingt, etwa durch globale Kapitalströme und zu wenig nationale Sparleistungen.Dieser Ansatz auf dem G20-Gipfel würde auf eine Isolierung von US-Präsident Donald Trump hinauslaufen, der einseitig Zölle verhängt und multilaterale Verträge ablehnt. Eigentlich hatte Abe sich so früh wie kein anderer Regierungschef um die Freundschaft mit Trump bemüht, da die USA Japans einziger Sicherheitspartner sind. Aber die US-Alleingänge beim Handel und bei Nordkorea zeigten Abe, dass er sich besser nicht allein auf Trump verlässt. Auch presste Trump Abe Vorgespräche über einen bilateralen Handelsvertrag ab, den Japan verhindern oder zumindest verzögern will.Außerdem möchte Abe China im Streit mit den USA den Rücken stärken. China ist nicht nur Japans größter Handelspartner. Abe will den G20-Gipfel auch nutzen, um die junge Freundschaft mit Präsident Xi Jinping zu pflegen. Im abgelaufenen Jahr hatten sich Abe und Xi wegen ihrer Handelskonflikte mit den USA nach langer Eiszeit einander wieder angenähert, obwohl Chinas Hegemonialstreben von Abe als größte Bedrohung für Japan gesehen wird.Als Vorreiter sieht sich Abe auch im Umgang mit den Wirtschaftsproblemen durch eine alternde Bevölkerung. Dieses Thema wird der zweite Schwerpunkt beim G20-Gipfel sein. Auch auf diesem Feld können sich die Leistungen seiner Regierung sehen lassen. Während seiner Amtszeit ist der erwerbstätige Anteil von Frauen und Senioren so stark gestiegen, dass trotz schrumpfender Bevölkerung die Zahl der Erwerbstätigen nicht gesunken ist. Ab April 2019 holt Japan mehrere hunderttausend Ausländer als Arbeitskräfte auf Zeit. Zugleich investieren Betriebe und Dienstleister massiv in Automatisierung. Mit dieser Mischung könnte Japan zum Vorbild für andere Industriestaaten werden.