NOTIERT IN BERLIN

Funktionstüchtiges "System Merkel"

Bloß keine Unruhe aufkommen lassen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe schlug öffentlich zurück, nachdem der Chef des Wirtschaftsflügels der Partei, Josef Schlarmann, Kanzlerin Angela Merkel pünktlich zu deren Rückkehr aus der Sommerfrische ebenso...

Funktionstüchtiges "System Merkel"

Bloß keine Unruhe aufkommen lassen. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe schlug öffentlich zurück, nachdem der Chef des Wirtschaftsflügels der Partei, Josef Schlarmann, Kanzlerin Angela Merkel pünktlich zu deren Rückkehr aus der Sommerfrische ebenso öffentlich angegriffen hatte. Das “System Merkel” erlaube keine Grundsatzdiskussionen mehr über wichtige Themen wie Energie oder Europa, klagte Schlarmann. In der CDU Merkels werde alles als “alternativlos” angeboten. Die Macht konzentriere sich allein auf das Kanzleramt. Alle Minister seien unmittelbar abhängig von der Kanzlerin. Ein Nachfolger habe keine Chance, nach oben zu kommen. *Jenseits der Frage, wie Merkel mit politischen Inhalten umgeht, müssten die Fragen umgekehrt lauten: Wäre es beruhigend, wenn sich die Macht der großen Regierungspartei nicht am Amtssitz der politischen Partei- und Regierungschefin konzentriert? Zeigt es Führungsstärke, wenn sich die Kanzlerin ständig von ihren Fachministern in die Parade fahren lässt? Ein Spitzenpolitiker braucht unbedingt den Willen zur Macht, wenn er oder sie in höchste Ämter strebt, die es im Wahlrhythmus zu verteidigen gilt. Das gilt auch für die Abwehr potenzieller Nachfolger. Es ist eher die Regel als die Ausnahme, dass ein Regierungschef am Amt festhält. Konrad Adenauer gab das Kanzleramt nur auf Druck seiner Partei auf. Helmut Kohl hätte der CDU 1998 vielleicht eine Wahlniederlage erspart, wenn er die Macht früher geteilt hätte. Auch die SPD kennt das Phänomen: Bei Kanzler Gerhard Schröder kam der Abschied auf Raten. Erst ging der Parteivorsitz verloren, dann begriff er selbst am Wahlabend 2005 nicht seine Niederlage. *Die Konkurrenten Merkels in der Partei haben selbst frustriert andere Wege eingeschlagen. Oder sie haben als Altersgenossen Merkels ihre Lebensplanung überholt, nachdem die Kanzlerin fest im Sattel saß. Viel spricht dafür, dass Merkels Nachfolger(in) – wann auch immer – aus einer anderen Partei als der CDU kommen wird. Wer rechnen kann, die Länge der Legislaturperiode kennt und jenseits der 50 steht, weiß seine Chancen einzuschätzen. So hat es Hessens früheren Landeschef Roland Koch an die Spitze von Bilfinger Berger gezogen und seinen saarländischen Amtskollegen, Peter Müller, zum Bundesverfassungsgericht. Christian Wulff hatte mit dem Segen der Kanzlerin sogar das höchste Amt im Staat inne – ist aber an sich selbst gescheitert. Gröhe indessen hätte nicht so hart mit Schlarmann verfahren müssen, indem er ihm ein “bemerkenswertes Missverhältnis zu seinen eher überschaubaren Beiträgen in den Gremien der Partei” bescheinigte. Schlarmann fand kaum Unterstützung für seinen Vorstoß. Hätte er nicht das “System Merkel” angegriffen, sondern Inhalte aufgerufen, sähe es anders aus. Inhaltlich hat die CDU einiges zu diskutieren – angefangen bei der Europa- und Energiepolitik.