Gasversorgung trotz Krise gesichert
Das DIW glaubt, dass Europa bei einem russischen Gasboykott mit einem “blauen Auge” davonkommen dürfte. Dagegen sind die Positionen Russlands und der Ukraine weiter verhärtet.ge Berlin – Trotz des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine gibt sich Energieexpertin Claudia Kemfert “relativ entspannt”. Kurzfristig würde die Europäische Union bei einem russischen Lieferboykott bei Erdgas “mit einem blauen Auge davonkommen”, sagte die Abteilungsleiterin Energie und Umwelt beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Damit die Gasversorgung aber auch längerfristig sicher ist, müssten die EU-Länder weitere neue Lieferquellen erschließen, die Energieeffizienz steigern und eine gemeinsame strategische Reserve einrichten.Trotz der Vermittlungsbemühungen von EU-Energiekommissar Günther Oettinger sind die Positionen im Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine weiter verhärtet. Der ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk warf Russland gestern eine “unkonstruktive Haltung” vor und drohte mit einer Klage beim Internationalen Schiedsgerichtshof. Der Chef des russischen Staatskonzerns Gazprom, Alexej Miller, sagte dagegen, dass die Ukraine bis Ende dieser Woche zunächst 2 Mrd. Dollar ihrer Schulden begleichen müsse, um eine Eskalation abzuwenden. Russland will erst über mögliche Rabatte verhandeln, wenn die Ukraine einen Teil der Schulden von inzwischen 3,5 Mrd. Dollar begleicht. Das Geld muss Kiew bis Ende der Woche an Moskau überweisen. Ansonsten will Gazprom von der nächsten Woche an nur noch gegen Vorkasse liefern.Sollte Russland die Lieferungen stoppen, könnte das zu Engpässen in der Europäischen Union führen, da die Ukraine das wichtigste Transitland für Gaslieferungen ist.DIW-Expertin Kemfert betonte derweil, dass bei einer russischen Blockade der Gaslieferungen durch die Ukraine die EU-Mitgliedsländer diesen Ausfall weitgehend kompensieren könnten. Würde Russland jedoch einen kompletten Stopp verhängen, wären vor allem osteuropäische Staaten stark betroffen, deren Abhängigkeit von russischen Lieferungen häufig bei 100 % liege (siehe Grafik). Westeuropa – und damit auch Deutschland – wäre dagegen wesentlich weniger tangiert. Da Russland nur wenige Alternativen zum Export in die EU besitze und aus den Erdgasexporten hohe Einnahmen erziele, glaubt die DIW-Expertin jedoch nicht an eine einseitige Abhängigkeit Europas von seinem rohstoffreichen östlichen Nachbarn.Kritisch äußerte sich Reinhard Bütikofer, Co-Vorsitzender der europäischen Grünen, über den großen Einfluss von Gazprom. Hierzulande sei der größte russische Erdgasproduzent in der gesamten Lieferkette präsent, von der Förderung über den Transport bis zum Endkunden. Zudem übernehme der Konzern immer mehr Gasspeicher. Zugleich forderte der Grüne, dessen Partei die DIW-Studie in Auftrag gegeben hatte, dass die EU-Kommission die Regularien beim Erwerb strategischer europäischer Infrastruktur durch Nicht-EU-Unternehmen verschärfen sollte.Kemfert bedauerte, dass Europa in Sachen Versorgungssicherheit “noch nicht ganz so weit ist, wie es sein sollte”. Obwohl schon in den Jahren seit der letzten Erdgaskrise neue Flüssiggasterminals, Speicher und Pipelines gebaut wurden, müsse zudem der Kreis möglicher Lieferländer erweitert werden. Hier kämen vor allem Norwegen und nordafrikanische Länder in Betracht. Gas gebe es auf den internationalen Märkten ausreichend – und zwar zu Preisen nicht wesentlich über den neuesten Forderungen von Gazprom.