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Gefährliche Schuldenspirale

Von Peter de Thier, Washington Börsen-Zeitung, 17.7.2019 Amerikas Staatsschulden laufen aus dem Ruder, und Warnungen vor den ökonomischen und selbst sicherheitspolitischen Folgen häufen sich zusehends. Gelingt es Regierung und Kongress nicht, die...

Gefährliche Schuldenspirale

Von Peter de Thier, WashingtonAmerikas Staatsschulden laufen aus dem Ruder, und Warnungen vor den ökonomischen und selbst sicherheitspolitischen Folgen häufen sich zusehends. Gelingt es Regierung und Kongress nicht, die öffentlichen Finanzen wieder ins Lot zu bringen, dann könnte ein gefährlicher Schneeballeffekt die weltgrößte Volkswirtschaft in eine Rezession stürzen, meint eine wachsende Zahl von Ökonomen. Umso gefährlicher ist die Lage, weil Politiker, allen voran US-Präsident Donald Trump und sein Finanzminister Steve Mnuchin, der Schuldenproblematik den Rücken gekehrt haben.Nach seinem Amtsantritt hatte ein selbstbewusster Trump mit lässigem Achselzucken gemeint, dass er die Haushaltsdefizite “relativ bald” eliminieren werde. Eingetreten ist aber das Gegenteil. 2017, als Trump die Regierungsgeschäfte übernahm, machte die Neuverschuldung 3,5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aus.Für 2019 rechnet die unabhängige Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) mit einem Anstieg der Defizitquote auf 4,2 % und bis 2029 auf 4,5 %. Ein noch düstereres Szenario zeichnet das CBO für die lange Frist. Demnach würde ohne bedeutende Einschnitte bei Ausgabenprogrammen und höhere Steuern die Gesamtverschuldung in 30 Jahren 144 % der Wirtschaftsleistung auffressen.Dabei eignen sich die nackten Zahlen obendrein, um die Lage sogar zu verharmlosen. Amtliche Statistiken in den USA spiegeln nämlich keineswegs die Gesamtverschuldung wider. Sie beziehen sich nur auf jene Obligationen, die von der Öffentlichkeit gehalten werden. Demnach erwartet die Behörde fürs laufende Jahr eine Schuldenquote von 78 %, die bis 2049 um 66 Prozentpunkte steigen wird. Werden aber Verbindlichkeiten zwischen den Teilsektoren des Staates hinzugerechnet, dann würde die Quote an der Bruttoverschuldung gemessen heute 105 % betragen.Verschärft hat sich die Situation dadurch, dass Trump ohne Rücksicht auf die defizitären Folgen eine prozyklische Wirtschafts- und Steuerpolitik betreibt. Allein um Wahlversprechen einzulösen und seine politische Basis bei Laune zu halten, hat der Präsident ausgerechnet während einer Expansion Steuersenkungen und neue Ausgabenprogramme durch den Kongress gepeitscht.Werden aber die Ausgaben nicht massiv zusammengestrichen und verlängert der Kongress zudem die befristeten Steuererleichterungen, dann werden die öffentlichen Finanzen laut CBO während der kommenden Dekade noch weiter aus dem Lot geraten.Die gesamtwirtschaftlichen Folgen sind naheliegend. Höhere Schulden bedeuten, dass der Staat mit privaten Investoren um begrenzte Finanzierungsmittel konkurriert, was die Zinsen nach oben drücken kann. Investitionen würden ebenso wie der Privatkonsum leiden, und dieser macht in den USA mehr als zwei Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung aus. Ein konjunktureller Einbruch, davor hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) kürzlich gewarnt, würde zudem hoch verschuldete Unternehmen in Mitleidenschaft ziehen. Demnach könnte gerade in hoch verschuldeten Ländern, in denen zugleich einer großen Zahl von Unternehmen die Verbindlichkeiten bis zum Hals stehen, die Stabilität des Finanzsystems ernsthaft in Gefahr sein. Dass zudem ein massiver Vertrauensverlust als Folge der ausufernden Staatsschulden keineswegs nur theoretischer Natur ist, das bewiesen vor acht Jahren der Kurssturz beim Dollar und Einbrüche an den Märkten, als Regierung und Kongress außerstande waren, sich auf einen Haushaltskompromiss zu einigen. Geheimdienstchef Dan Coats sieht sogar eine Gefahr für die Sicherheit der Nation. Der Director of National Intelligence bezeichnete bei einer Senatsanhörung die Staatsschulden als “nicht mehr tragfähig”. Die Schuldenlast würde nicht nur die Wirtschaft gefährden, “sondern sowohl gegenwärtig als auch langfristig unsere Fähigkeit beeinträchtigen, die nationale Sicherheit zu gewährleisten”. Die Preisfrage lautet natürlich für Politiker, die sich im Gegensatz zu Trump der wachsenden Schuldenlast ernsthaft annehmen wollen, wie dem Problem beizukommen ist. Zwar behaupten Demokraten häufig, dass die Vorliebe der Republikaner für steigende Rüstungsetats den Ausschlag gibt. Dem aber widerspricht John Cogan, früherer stellvertretender CBO-Direktor.Laut Cogan “ist die Ursache bei gesetzlichen Ausgabenprogrammen zu finden, die von 4 % des BIP auf mehr als 14 % gewachsen sind und zwei Drittel aller Ausgaben des Bundes darstellen”. Programme wie die gesetzliche Rentenversicherung und die staatliche Krankenversorgung, die angesichts demografischer Veränderungen in den kommenden Jahren immer stärker in Anspruch genommen werden, sind zwar immer wieder Gegenstand von Reformdebatten. Politisch sakrosankt Da sie aber letztlich als politisch sakrosankt gelten, verlaufen die Diskussionen in der Regel wieder im Sande. Als Alternative blieben Kürzungen beim Rüstungsetat, dem mit Abstand größten diskretionären Ausgabenposten. Solange Trump und sein “America First”-Postulat aber die Haushaltspolitik diktieren und er zudem für weitere Steuernachlässe plädiert, liegen geringere Defizite in weiter Ferne.