US-WIRTSCHAFT IM BRENNPUNKT

Gefährliche Schuldenspirale

Republikaner und Demokraten kehren die Haushaltsmisere unter den Teppich

Gefährliche Schuldenspirale

Von Peter De Thier, WashingtonDie US-Staatsfinanzen geraten immer weiter außer Kontrolle, und die Meinungen sind darüber gespalten, wie weit die Schulden noch steigen können, ehe ernsthafte ökonomische Konsequenzen zu befürchten sind: ein Vertrauensverlust bei Investoren, ein Kurssturz an den Finanzmärkten sowie beim Dollar und womöglich wie 2011 ein weiteres Downgrade für Staatsanleihen. Sicher erscheint, dass vor dem Hintergrund eskalierender Handelskonflikte, einer schwächelnden Industrie und wachsender Ängste vor einem Konjunktureinbruch kein Politiker, weder Republikaner noch Demokraten, wirklich bereit ist, sich der Schuldenproblematik ernsthaft anzunehmen. Quote von 105 ProzentAn den Zahlen gibt es nichts zu beschönigen. Bereits unter Präsident Barack Obama hatte die Staatsverschuldung den gesamten Output der US-Wirtschaft überstiegen. Nach Angaben der Federal Reserve Bank von St. Louis, die hierzu eine laufende Statistik erstellt, überschritten die Schulden im Februar dieses Jahres 22 Bill. Dollar, und die Verschuldungsquote liegt derzeit bei etwa 105 %.Besserung ist nicht in Sicht, im Gegenteil. Die unabhängige Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) rechnet nun in der kommenden Dekade mit einer jährlichen Neuverschuldung von mehr als 1 Bill. Dollar. Der Anteil der von Anlegern gehaltenen Obligationen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird demnach von etwa 79 % im laufenden Jahr bis 2029 auf über 95 % steigen.Dabei verharmlost diese in den USA am häufigsten zitierte Statistik das wahre Ausmaß der Schuldenmisere noch. Schließlich machen Verbindlichkeiten zwischen Teilsektoren des Staates, etwa die Zahlungsverpflichtungen der gesetzlichen Rentenversicherung, weitere Schulden von etwa 5,8 Bill. Dollar aus, werden aber in der Statistik nicht berücksichtigt. Im Klartext: Bleibt der Staat auf dem derzeitigen Kurs, würde die wahre Schuldenquote in zehn Jahren deutlich über 130 % liegen.Aus der Sicht von US-Präsident Donald Trump ist das alles kein Problem. Nach seinem Amtsantritt hatte er noch selbstbewusst verkündet, das Haushaltsdefizit “innerhalb von wenigen Jahren” beheben zu können. Dass die Neuverschuldung so hoch ist, sei ohnehin nicht seine Schuld, sondern die seines Vorgängers Obama.Tatsächlich kletterten die Schulden unter Obama von 10,6 Bill. auf fast 20 Bill. Dollar, womit die kumulative Neuverschuldung in zwei Amtsperioden fast so hoch war wie während der vorangegangenen 200 Jahre. Unter dem früheren Präsidenten war die Ausgangsposition aber eine andere.So musste Obama mit Ausgabenprogrammen die Weltrezession bekämpfen, und Trump erbte im Januar 2017 eine durchaus robuste Konjunktur, in der nach Ansicht der meisten Ökonomen prozyklische Steuersenkungen und Ausgabenprogramme überflüssig und eher kontraproduktiv waren.Zwar argumentiert Nobelpreisträger Paul Krugman, dass angesichts der niedrigen Zinsen die Schulden absolut tragfähig seien. “Solange die Zinsen unterhalb der Wachstumsrate der Wirtschaft liegen, sollten die Staatsfinanzen zu den geringsten Sorgen der Politik zählen”, meint der Neo-Keynesianer. Folglich seien selbst bei einer jährlichen Zunahme des BIP um 2 % und einer Inflationsrate in etwa derselben Höhe dreiprozentige Renditen auf Staatsanleihen noch absolut tragfähig. Eine gefährliche Schuldenspirale sei erst dann zu befürchten, wenn sich dieses Verhältnis umkehrt. Teure Ausgabenprogramme Für wesentlich prekärer hält CBO-Direktor Phillip Swagel den Zustand der Staatsfinanzen. “Die fiskalischen Perspektiven für die US-Wirtschaft sind bedrohlich”, warnt Swagel. Ungeachtet der düsteren Prognosen seines Hauses für die kommende Dekade werde sich die Lage nach 2029 erst recht zuspitzen.Zum einen wegen der alternden Bevölkerung und der deutlich stärkeren Inanspruchnahme von gesetzlichen Ausgabenprogrammen, unter anderem der Rentenversicherung und Medicare, der staatlichen Krankenversicherung für Personen über 65. Auch würden höhere Zinsen den Schuldendienst verteuern, stellt der CBO-Chef fest. Unverzichtbar sei daher eine Kombination aus steuer- und haushaltspolitischen Gesetzen, die den Fiskus deutlich entlasten.Auch andere Ökonomen warnen vor den Folgen. Viele erinnern an den Sommer 2011, als das Unvermögen des Kongresses, sich auf Ausgabenkürzungen zu einigen, zum ersten Downgrade von US-Staatstiteln führte und einen tiefen Kurssturz an den Aktienmärkten ebenso wie beim Dollar auslöste.Durch das angeschlagene Verhältnis zu China, welches mit Japan ständig die Spitzenposition als größter ausländischer Gläubiger der USA wechselt, sei die Situation umso gefährlicher. Von der Bereitschaft des Präsidenten oder des Parlaments, mit neuen Gesetzen zur Tat zu schreiten, ist aber weit und breit nichts zu sehen.