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Gefährlicher Fiskalkurs

Von Peter De Thier, Washington Börsen-Zeitung, 12.12.2018 Das Versprechen utopischer Konjunkturszenarien, die so unrealistisch sind, dass selbst seine Mitarbeiter ratlos den Kopf schütteln, gehört bei US-Präsident Donald Trump zum politischen...

Gefährlicher Fiskalkurs

Von Peter De Thier, WashingtonDas Versprechen utopischer Konjunkturszenarien, die so unrealistisch sind, dass selbst seine Mitarbeiter ratlos den Kopf schütteln, gehört bei US-Präsident Donald Trump zum politischen Alltag. Besonders gefährlich ist Trumps Tendenz, sich ökonomischen Realitäten zu verschließen, im Bereich der Steuer- und Haushaltspolitik. Ökonomen sagen in den kommenden zehn Jahren als Folge niedrigerer Steuern und höherer Ausgaben ausufernde Defizite und steigende Gesamtverschuldung voraus, die wirtschaftlich nicht mehr tragfähig sein werden. Einen Vorgeschmack auf seinen Hang zu leichtsinnigen Tatsachenverzerrungen lieferte Trump während des Präsidentschaftswahlkampfs. Bei den Debatten zwischen den republikanischen Anwärtern auf das höchste Amt im Lande wollte der Immobilienunternehmer seine Rivalen ausstechen und versprach im Falle eines Wahlsiegs, dass er eine Steuerreform im Wert von sage und schreibe 10 Bill. Dollar durchsetzen würde. Darauf angesprochen, was diese für Defizite und die Staatsverschuldung bedeuten würde, zuckte Trump lässig mit den Schultern und meinte: “Die werden nicht steigen, denn mit meiner Reform wird die Wirtschaft abheben wie eine Rakete.” Gekommen ist es natürlich ganz anders. Die Steuerreform, die der Präsident vor einem Jahr feierlich unterschrieb, erreichte natürlich nicht die versprochenen 10 Bill. Dollar, sondern soll Unternehmen und Haushalte um 1,5 Bill. Dollar entlasten.Auch dies ist nach Ansicht der unabhängigen Haushaltsbehörde Congressional Budget Office (CBO) mehr als genug. So meldete das Institut, dass im abgelaufenen Fiskaljahr die Neuverschuldung um 779 Mrd. Dollar über dem Stand von 2017 lag. Demnach betrug die Defizitquote in dem Zeitraum von Oktober 2017 bis September 2018 3,8 %. Zum Vergleich: Zuvor hatte die Quote bei 3,5 % und 2016 bei 3,2 % gelegen. Bei Trumps Vorgänger Barack Obama, einer jener “verschwenderischen Liberalen”, die der Präsident gern verspottet, hatte der Anteil der Neuverschuldung am Bruttoinlandsprodukt (BIP) noch unter 3 % gelegen. Keine Besserung in Sicht Besserung ist jedenfalls keine zu erwarten. Schließlich hat das US-Finanzministerium bekannt gegeben, dass die Neuverschuldung dieses Jahr 1,3 Bill. Dollar erreichen wird, wodurch die Quote 4 % wieder überschreiten dürfte. Nachdenklich stimmen aber vor allem die längerfristigen Prognosen des CBO. Zu erwarten ist nach Darstellung der Behörde, deren Zahlen weder die Verpflichtungen des Fiskus aus der gesetzlichen Rentenversicherung noch jene aus dem Bankeneinlagensicherungsfonds Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) berücksichtigen, in der kommenden Dekade ein weiterer, drastischer Anstieg der Schuldenquote. Dabei hat der Anteil der gesamten Staatsschulden an der Wirtschaftsleistung nach Berechnungen der Federal Reserve Bank von St. Louis bereits heute 103 % überschritten.Zugespitzt hat sich die Lage zudem als Folge höherer Zinsen, die den Schuldendienst verteuern. Laut CBO stiegen die Zinszahlungen auf die Schulden des Fiskus 2018 um exakt 20 %. Die höheren Kosten der Kreditaufnahme werden auch in den kommenden Jahren selbst dann massiv zu Buche schlagen, sollten Notenbankchef Jerome Powell und die übrigen Mitglieder des Offenmarktausschusses das Tempo der Zinserhöhungen drosseln.Republikaner, traditionell die Partei der fiskalisch konservativen Sparer, sind frustriert, und ausgerechnet die zu “verschwenderischen Liberalen” gebrandmarkten Demokraten sehen eine weitere Front, aus der sie bei den kommenden Wahlen politisches Kapital schlagen können. Dass Trump die Gefahren nicht begreift, liegt zum einen daran, dass ihm die realen, ökonomischen Folgen seines Handelns zu kompliziert sind, um sich im Detail damit auseinanderzusetzen. Schuld sind aber auch jene Wirtschaftsberater im Weißen Haus, auf die der Präsident hört. Larry Kudlow, Chef des National Economic Council (NEC), etwa verharmlost die defizitären Folgen der Wirtschaftspolitik und meint lediglich, dass die Steuerreform das Wachstum sogar deutlich beschleunigen wird.Wichtiger sind aber die Analysen unabhängiger Experten, die vor gravierenden Folgen warnen. “Wir haben Geldgeber rund um den Globus und geraten immer mehr in die wirtschaftliche Abhängigkeit von Staaten, die fast 50 % unserer Staatstitel halten”, sagt Maya MacGuineas, Vorsitzende des “Committee for a Responsible Federal Budget”. Sie nennt neben den größten Gläubigern China und Japan Länder wie Irland, Brasilien, das Vereinigte Königreich und die Schweiz.Wie Michael Peterson, Direktor der Peter G. Peterson Foundation hinzufügt, bremsen höhere Zinsen das Wirtschaftswachstum, führen zu realen Einkommenseinbußen und werden somit auch den Privatkonsum drücken, die mit Abstand wichtigste Komponente des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Laut Peterson werde allein der Schuldendienst bis 2026 jährlich 7 Bill. Dollar erreichen. “Das sind 7 Bill. Dollar, die für Infrastrukturinvestitionen und andere Projekte produktiv hätten eingesetzt werden können, aber effektiv verloren sind.” Folgen für Privatkonsum Laut Ian Sheperdson, Gründer und Chefökonom von Pantheon Macroeconomics, war neben der Steuerreform “das vom Kongress verabschiedete Ausgabengesetz ausgerechnet während eines Aufschwungs und angesichts der hohen Schulden wirtschaftlich gesehen das Dümmste, was Politiker hätten machen können.” Neben den Folgen für den Privatkonsum würde nämlich der Verdrängungseffekt an den Kapitalmärkten die Zinsspirale weiter beschleunigen und auch private Investitionen dämpfen. Zudem werde der fiskalpolitische Spielraum des Fiskus, um auf Krisen zu reagieren, weiter eingeengt. Allesamt reale und bedrohliche Konjunkturszenarien, die sich einem auf vollmundige Wahlversprechen bedachten Präsidenten komplett verschließen.