Verbraucherpreise

Gefühlte Inflation in Deutschland bei 18,1 Prozent

Die von den Verbrauchern wahrgenommene Teuerung ist in Deutschland und in der Eurozone rund drei Mal so hoch wie die von den Statistikern erfasste Inflation. Die Diskrepanz kann gravierende Auswirkungen auf die Inflationsentwicklung haben.

Gefühlte Inflation in Deutschland bei 18,1 Prozent

Gefühlte Inflation in Deutschland bei 18,1 Prozent

Wahrgenommene Teuerung dreimal so hoch wie offizielle – Abweichung kann Auswirkungen auf Preisentwicklung haben

mpi Frankfurt

Die von den Verbrauchern in Deutschland wahrgenommene Inflation ist ungefähr dreimal so hoch wie die offizielle Teuerungsrate. Ein ähnliches Bild zeichnet sich für die Eurozone ab – hier nimmt die Bevölkerung zudem aktuell keinen größeren Rückgang der Inflationsrate wahr. Das sind Ergebnisse einer am Montag veröffentlichten Studie des Kreditversicherers Allianz Trade.

„Das ist nicht unerheblich, denn die gefühlte Inflation beeinflusst das Handeln der Verbraucher stark, zum Beispiel beim Kaufverhalten“, sagte Jasmin Gröschl, Volkswirtin bei Allianz Trade. „Diese Diskrepanz spielt also gerade für die Wirtschaft und die Unternehmen sowie für die Zinspolitik eine wichtige Rolle.“

Für die Europäische Zentralbank (EZB) ist neben den Inflationserwartungen auch die gefühlte Teuerung von Bedeutung. Nehmen die Verbraucher die Inflation als deutlich höher wahr, passen sie möglicherweise ihren Konsum, ihre Investitionsentscheidungen und die Sparrate an – geben also weniger aus. Die geringere Nachfrage reduziert den Inflationsdruck. Gleichzeitig kann eine sehr hohe gefühlte Teuerung jedoch auch zu höheren Forderungen nach Lohnsteigerungen führen, was die Inflation anheizen kann – im schlimmsten Fall endet es in einer Lohn-Preis-Spirale.

Der Unterschied zwischen der gefühlten Inflation und den tatsächlichen gemessenen Werten hat verschiedene Ursachen. Verbraucher neigen dazu, Preisänderungen für Produkte, die sie regelmäßig einkaufen, besonders stark wahrzunehmen. Die teureren Lebensmittel in Supermärkten, deren Preise besonders deutlich gestiegen sind, sind den Konsumenten präsenter als Preisänderungen bei anderen Produkten. Zudem haben die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky festgestellt, dass Preiserhöhungen von der Bevölkerung mehr wahrgenommen werden als gleichbleibende oder sinkende Preise. Dies dürfte mit ein Grund dafür sein, dass die gefühlte Inflation nicht erst seit den vergangenen Jahren mit sehr hohen Teuerungsraten über den tatsächlichen Werten liegt. Die gefühlte Inflation in der Eurozone ist auch im langjährigen Durchschnitt etwa dreimal so hoch wie die von den Statistikern gemessene Teuerungsrate.

Inflation ist individuell

Zudem unterscheidet sich die Inflation nicht nur gefühlt, sondern auch tatsächlich individuell von den offiziellen Ergebnissen. Die Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) für Deutschland geben den Bundesdurchschnitt wieder. Dabei können sich Preise regional sehr unterscheiden, so dass etwa Menschen auf dem Land eine niedrigere Inflationsrate haben als Einwohner in einer Großstadt. Außerdem entspricht der Konsum einer Person nie eins zu eins dem durchschnittlichen Konsum, den der Warenkorb von Destatis abbilden soll, mit dem die offizielle Inflationsrate berechnet wird. Wer beispielsweise nicht raucht, dem können die Zigarettenpreise egal sein, und wer kein Auto fährt, für den sind die Benzinpreise nicht von Bedeutung.

Die persönliche Inflationsrate, die deutlich von der offiziellen Rate abweichen kann, lässt sich mit einem Rechner von Destatis bestimmen.

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.