Im InterviewMoritz Schularick

„Geld allein löst Deutschlands strukturelle Probleme nicht“

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel über das Versagen der Politik, die richtigen Weichenstellungen für die Klimatransformation und die Rolle der Schuldenbremse.

„Geld allein löst Deutschlands strukturelle Probleme nicht“

Im Interview: Moritz Schularick

"Geld allein löst keine strukturellen Probleme"

Ökonomische Unsicherheit durch Pragmatismus und Handeln auflösen – Politik fehlt visionäre Führung und klare Idee, kritisiert der IfW-Chef

Der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel über das Versagen der Politik, die richtigen Weichenstellungen für die Klimatransformation und die Rolle der Schuldenbremse. Der Bundesregierung fehlt sowohl ein Masterplan für die laufende Transformation als auch die Gabe zu visionärer Führung, sagt er.

Herr Schularick, das deutsche Wachstum hinkt dem in anderen Teilen des Euroraums weit hinterher. Die Wirtschaftsakteure hierzulande scheinen zunehmend verunsichert, sie hadern bei Investitionen und halten sich mit dem Konsum zurück. Woran liegt es?

Die politische Unsicherheit im Land ist groß. Wenn der Bundeshaushalt vom Verfassungsgericht gekippt wird und die Regierung kriselt, dann ist das natürlich Gift für das Investitionsklima. Auch die Bürgerinnen und Bürger sind verunsichert. Ihnen fehlt die Gewissheit, dass der Staat für die Herausforderungen gerüstet ist. Trotz steigender Reallöhne scheuen sie daher große Ausgaben und sparen stattdessen.

Moritz Schularick ist Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) Kiel.

Was ist das größte konkrete Hemmnis? Und wie kann es beiseitegeschafft werden?

Der deutschen Politik fehlt eine klare Idee, wo sie hinwill und wie sie das erreichen kann. Uns fehlt eine visionäre politische Führung, die sagt: In zehn Jahren wollen wir dies oder jenes erreicht haben, lasst es uns anpacken. Damit also eine Führung, welche die Menschen mitreißt. Und selbst wenn sich die Bundesregierung einmal auf Ziele einigt, gibt es spätestens bei der Frage der Finanzierung und der Umsetzung Uneinigkeit.

Also letztlich eine Frage der Koalitionsdisziplin und der Koalitionshygiene?

Auch. Eine funktionierende Koalition ist natürlich eine notwendige Bedingung, um ein Land zu reformieren. Aber nur, weil sich eine Regierung einig ist, bringt sie das Land noch nicht voran. Ich spreche hier von einer nötigen Initialzündung, die uns wieder Mut zur Veränderung und zur Risikobereitschaft gibt, sodass wir die Herausforderungen der Zukunft als Chance sehen.

Welche Probleme haben wir uns von außen eingefangen? Und welche wurden durch politisches Handeln oder Nichthandeln verursacht?

Es gibt natürlich ein paar weltwirtschaftliche Entwicklungen, wie die aktuelle Schwäche der chinesischen Konjunktur, die auch unsere Wirtschaft treffen. Aber wenn man sich die Entwicklung der Wirtschaftsleistung seit Ende der Finanzkrise anschaut, stellt man fest, dass wir insgesamt seitdem nicht wirklich vorangekommen sind – zum Beispiel im Vergleich zu den USA. Grüne Transformation, Digitalisierung und Demografie, das waren schon damals Probleme. Aber wir sind sie nicht entschlossen angegangen, sondern haben sie vielmehr vor uns hergeschoben. Diese Herausforderungen haben sich bereits in der Vergangenheit nicht von selbst gelöst, und das werden sie auch in Zukunft nicht.

Liegt das Umsetzungsproblem tatsächlich an der Schuldenbremse, wie oft unterstellt wird, weil der Politik schlicht das Geld fehlt, um ihre Vorhaben umzusetzen?

Viele fordern in der Tat jetzt, dass der Staat mehr Geld ausgibt. Wichtig ist aber vor allem, dass der Staat das Geld zunächst einmal klug ausgibt. Das heißt: Anreize setzen und private Investoren mit ins Boot holen. Das heißt auch, Bürokratie abbauen und digitalisieren. Es gibt durchaus Gründe, die Schuldenbremse auszusetzen, um vor allem in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Aber Geld allein löst Deutschlands strukturelle Probleme nicht. Mit einem größeren Haushalt wächst zudem die Gefahr, dass unsere Herausforderungen mit Geld eher vertagt, statt endlich gelöst werden. Aber klar ist auch: Die Krise ist nicht der richtige Moment, um zu sparen. Das wäre politisch hochgiftig.

Wie bekommt die Politik ihre Glaubwürdigkeit wieder zurück? Braucht es etwa einen Masterplan für die Klimawende? Ein großes Agenda-Paket?

Deutschland darf sich nicht in Details verheddern, sondern muss jetzt die richtigen Weichen stellen, um in 20, 30 Jahren die historischen Herausforderungen aus Ukraine-Krieg, demografischem Wandel und Klimatransformation gelöst zu haben. Wichtig ist auch, dass es überhaupt klappt, nicht nur, dass es auf dem effizientesten Weg klappt.

Was heißt „nicht nur auf dem effizientesten Weg“?

Wenn wir für die Vorhaben die Schuldenbremse abermals aussetzen müssen oder einige Milliarden für unnötige Subventionen verlieren, spielt das in der historischen Perspektive keine Rolle. Ein Scheitern bei der Klimawende wäre dagegen verheerend. Wir brauchen aktuell einfach mehr Pragmatismus. Die USA haben es vorgemacht und subventionieren grüne Technologien, anstatt die fossilen Energien teurer zu machen, wie es das ökonomische Lehrbuch vorsieht. Der Erfolg gibt ihnen zumindest bisher recht.

Die Fragen stellte Stephan Lorz.

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