GELDSCHÖPFUNG - GASTBEITRAG

Geld selbst geschöpft - Regionalwährung und Bitcoin

Börsen-Zeitung, 23.8.2012 Die derzeitige Geldpolitik der Zentralbanken, die weltweit zunehmend ihr Zentralbankgeldschöpfungsmonopol missbrauchen, um Banken-Bail-outs und marode Staatskassen zu finanzieren, erinnern an die Geldvermehrungsszenen im...

Geld selbst geschöpft - Regionalwährung und Bitcoin

Die derzeitige Geldpolitik der Zentralbanken, die weltweit zunehmend ihr Zentralbankgeldschöpfungsmonopol missbrauchen, um Banken-Bail-outs und marode Staatskassen zu finanzieren, erinnern an die Geldvermehrungsszenen im ersten Akt von “Faust II”, deren Vorbilder die Finanzblasen des 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts waren. Auch damals lebten eine Reihe von Staaten über ihre Verhältnisse und griffen zur Finanzierung ihrer Konsumausgaben auf die Notenpresse zurück, was zwar politisch bequem war und auch kurzfristig half, aber langfristig die eigentlichen Probleme nicht löste. Die fast zwangsläufigen Folgen waren Staatsbankrotte und eine tiefe Erschütterung des Vertrauens in das staatliche “Papiergeldsystem”.In der Folge wurde in der ökonomischen Literatur eine Vielzahl von Vorschlägen untersucht, die den Bürger vor dem Missbrauch des staatlichen Geldsystems durch eigennutzorientierte Politiker schützen sollen. Einer davon geht auf den österreichischen Nationalökonomen Friedrich August von Hayek (1899-1992) zurück, der als Lösungsansatz den Währungswettbewerb vorschlug. Seiner Meinung nach solle das Geldsystem entnationalisiert werden und eine Vielzahl von privaten Geldanbietern auf den Markt treten, die dann um die Gunst der Geldhalter konkurrieren. Schnell sollten sich dann das bzw. die vergleichsweise wertstabilsten Gelder durchsetzen. Jeder Versuch der nicht stabilitätskonformen Geldvermehrung auf Seiten der Geldproduzenten würde dann von Seiten der Geldhalter durch Wechsel des Zahlungsmittels sanktioniert.In der Tat gibt es mittlerweile auf regionaler Ebene in Deutschland 25 private inoffizielle Zahlungsmittel, so genannte Regionalwährungen, mit einem Umlaufswert von nicht mehr als 1 Mill. Euro. Diese werden meist von “Vereinen für nachhaltiges Wirtschaften” ausgegeben und laufen derzeit noch ganz überwiegend in Form von Scheinen zu Nennwerten von 1, 2, 5, 10, 20 und 50 Regionalgeldeinheiten als lokale Bargeldsubstitute zum Euro um. Sie besitzen eine eigene Recheneinheit (z. B. “Chiemgauer”) und werden in aller Regel gegen Euro in Umlauf gebracht. Lokale Wirtschaft stärkenVon der Regionalgeldemission erhofft man sich eine Stärkung der örtlichen Wirtschaft und der regionalen Solidarität. Fast durchweg entscheidet man sich bei der Ausgabe für einen Wechselkurs von 1 : 1 zum Euro, um den teilnehmenden Unternehmen eine doppelte Preisauszeichnung und den Kunden ein lästiges Umrechnen zu ersparen. Genau hier liegt jedoch aus währungswettbewerblicher Sicht das Problem, denn durch die Wahl des festen Wechselkurses zum Euro wird dessen Wertentwicklung in die Regionalgelder importiert. Berücksichtigt man zudem, dass die Regionalwährungen fast ausschließlich als so genannte Schwundgelder konzipiert sind, verschlechtert dies ein prinzipiell mögliches breites Akzeptanzpotenzial dieser Scheine zusätzlich. So belegt man die Regionalgeldbestände mit einer im Voraus bekannten zeitabhängigen Geldhaltegebühr (“Umlaufsicherung”), um das Horten von Regionalgeld unattraktiv zu machen und den Geldkreislauf systemisch zu stabilisieren.Hier muss typischerweise der Besitzer der Geldscheine zum Werterhalt kleine Klebemarken auf den Geldschein anbringen, um so die Gültigkeit des Zahlungsmittels für eine bestimmte Zeitperiode (meist drei Monate) zu sichern. In der Regel kosten die Marken 2 bis 3 % des Nennwerts der Scheine pro Quartal und sind gegen offizielle Währung bei der Emissionsstelle zu erwerben. Bei Rücktausch in Landeswährung fallen meist weitere 5 % des Nennwerts als Gebühren an. Mit Goethe mag man hier fragen: “Da seht nur her, ist das wohl Geldes wert?”Zugegebenermaßen mögen die Regionalgelder wegen der vergleichsweise hohen Geldhaltungskosten keine echte Gefahr für die offiziellen Zahlungsmittel darstellen, nicht zuletzt deshalb, da die offiziellen Währungsbehörden – wie bereits in Italien geschehen – solche privaten Geldemissionen grundsätzlich verbieten können.Dagegen scheinen etwaige Verbote einer gänzlich anderen Form des Privatgeldes, der so genannten Bitcoins, kaum wirksam umsetzbar. Bitcoins sind eine Form elektronischen Geldes, das vollkommen dezentral über ein Computernetzwerk geschöpft wird und dann als Zahlungsmittel per Überweisung eingesetzt werden kann. Bitcoins sind also letztlich wie Buchgeld von Banken nichts anderes als Bits und Bytes, die auf Computer, Handys, USB-Sticks usw. gespeichert werden, der Geldschöpfungsmechanismus ist jedoch völlig unterschiedlich. Hierzu werden die Rechner der teilnehmenden Bitcoin-Verwender über das Internet (“peer-to-peer”) miteinander vernetzt und bilden so die Basis für die Bitcoin-Geldschöpfung (“Bitcoin Mining”) und das zugehörige Zahlungsverkehrssystem. Geld per ZufallBitcoins entstehen anders als bei Buchgeld offizieller Banken nicht etwa durch Kreditvergabe, sondern werden im Teilnehmernetz durch die Teilnehmer selbst generiert. Grundlage der Entstehung der Bitcoins ist das erfolgreiche Lösen von komplizierten kryptographischen Aufgaben durch die Computerprogramme (“Clients”) der Bitcoin-Teilnehmer. Glaubt man den Bitcoin-Konstrukteuren, dann findet ein einzelner Teilnehmer nur durch Zufall als erster die Lösung und erhält dann 50 Bitcoins gutgeschrieben. Je mehr Rechenkapazität er dem System jedoch bereitstellt, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass er beim Mining Erfolg hat. Insgesamt ist die maximale Anzahl von Bitcoins über das dem System zugrunde liegende Protokoll auf 21 Millionen festgelegt. Diese werden jedoch voraussichtlich erst gegen 2033 vollständig generiert werden, da sich circa alle vier Jahre die vom System a priori festgelegte Wachstumsrate der Bitcoin-Geldschöpfung halbiert. Bitcoin: Vorbild Friedman?Damit folgt der Bitcoin-Geldschöpfungsprozess einer geometrischen Reihe und ist damit prognostizierbar, der Ort der Bitcoin-Entstehung jedoch nicht. Dies erinnert ein wenig an eine alte Forderung Milton Friedmans, der die inflationierenden Zentralbanken entmachtet sehen wollte, indem man ihnen die jährliche Wachstumsrate der Geldmenge strikt vorzuschreiben hätte. Zurzeit beträgt die umlaufende Bitcoin-Anzahl etwa 8 Millionen und diese Gelder werden bislang überwiegend von Nutzern in den USA, zunehmend jedoch auch in Europa als Zahlungsmittel vornehmlich im Internet eingesetzt.Bitcoins lassen sich mittlerweile aber auch ohne Teilnahme am Bitcoin Mining über Käufe an Börsen erwerben. Derzeit muss man gut 7 Euro für einen Bitcoin bezahlen und ein Bitcoin-Konto (“wallet”) vorweisen. Letzteres ist kostenlos und kann anonym eingerichtet werden, indem man den entsprechenden Bitcoin-Client über das Internet herunterlädt und das Programm auf dem Computer installiert.Als vorteilhaft wird angesehen, dass die Bitcoins fälschungssicher sind und ähnlich wie Bargeld anonym als Zahlungsmittel eingesetzt werden können. Dies liegt vor allem daran, dass es keine Clearingstelle gibt, bei der Angaben des Zahlenden und des Zahlungsempfängers zentral verbucht werden. Es überrascht also nicht, dass weltweit Regierungen, Zentralbanken und Bankenverbände das Bitcoin-System kritisch sehen, da die Überwachung der Zahlungsvorgänge der Bürger und die Erzielung von Geldschöpfungsgewinnen erschwert werden. Frage des WettbewerbsAls Ökonom muss man sich jedoch an dieser Stelle die Systemwettbewerbsfrage stellen. Offenkundig ist, dass Privatgeldsysteme wegen der hohen Anfangskosten (mangelnde Infrastruktur im Zahlungsverkehr, Reputations- und Akzeptanzprobleme) generell kaum Chancen gegen das etablierte staatliche Geldsystem haben. Entwickeln sie sich dennoch, dann sollte man die Ursachen – wie anfangs erwähnt – im offiziellen Geldsystem suchen.—-Gerhard Rösl ist Autor des Buchs “Seigniorage in der EWU” und der Studie “Regionalwährungen in Deutschland – lokale Konkurrenz für den Euro?” (Hg.: Bundesbank).Im Rahmen der Serie zur Geldschöpfung zuletzt erschienen:- Jochen Hörisch: Geld und Geltung (17. August)- Michael North: Die Geschichte des Geldes (18. August)- Als nächstes geplant:- Heiner Flassbeck: Das Geld aus der Druckmaschine und die Marktwirtschaft- Thorsten Polleit: Die Geldschöpfung hat uns in die Krise geführt