Geldmenge im Euroraum schrumpft

Tauben im EZB-Rat erhalten Futter für Zinssenkung - Gute Finanzierungsbedingungen in Deutschland

Geldmenge im Euroraum schrumpft

Schwaches bis sogar negatives Geldmengenwachstum sowie eine nach wie vor schwache Dynamik bei der Kreditvergabe deuten auf eine weiterhin maue Konjunktur im Euroraum hin.bal Frankfurt – Die Tauben im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) erhalten Nahrung. Das Volumen des wichtigen Geldmengenaggregats M 3 ist im April um 51 Mrd. Euro gesunken, wie die EZB am Mittwoch mitteilte. Für die Vertreter einer lockeren Geldpolitik dürfte dies ein Argument sein, den Leitzins von derzeit 1 % weiter abzusenken oder neue unkonventionelle Maßnahmen wie die Dreijahreskredite an die Banken im Dezember und Februar wieder aufzunehmen.EZB-Präsident Mario Draghi hat in den zurückliegenden Monaten die nach seiner Amtsübergabe im November 2011 im EZB-Rat heftig umstrittene Geldpolitik unter anderem damit gerechtfertigt, dass in den letzten Monaten des Jahres 2011 “zum ersten Mal in der Geschichte” M 3 in absoluten Werten gefallen sei. Insgesamt ging dieses Geldmengenaggregat damals um 83 Mrd. Euro zurück, am stärksten im Oktober um 43 Mrd. Euro. Die Jahreswachstumsrate blieb dabei durchweg positiv. So auch jetzt: Im April lag das Gesamtvolumen von M 3 bereinigt um Sondereffekte wie Wechselkursentwicklungen oder Umklassifizierungen um 2,5 % höher als im Vorjahresmonat – trotz des absoluten Rückgangs im Vergleich zum Vormonat.Allerdings sollte der absolute Rückgang von M 3 im April nicht automatisch eine weitere Zinssenkung oder neue Sondermaßnahmen der EZB hervorrufen. “Entscheidend für die EZB-Politik ist die Refinanzierungslage der Banken”, erklärt Degussa-Chefvolkswirt Thorsten Polleit. “M 3 dient wohl eher als Erklärung für die Öffentlichkeit”, sagt der Ökonom. Nach dieser Lesart versucht die EZB unter Verweis auf schlechte makroökonomische Daten ihre Hilfen für die Banken zu rechtfertigen.Da aber auch bei den Kreditinstituten die Lage nach wie vor nicht rosig ist, wie die Probleme des spanischen Instituts Bankia zeigen, könnten die schwachen monetären Makrodaten durchaus wieder als Begründung für eine noch expansivere Geldpolitik herhalten. Polleit erwartet eine baldige Reaktion der EZB auf die sich eintrübende wirtschaftliche Lage im Euroraum, die durch die schrumpfende Geldmenge reflektiert wird. “Der deflatorische Druck, der von einer derartigen Entwicklung ausgeht (sollte sie anhalten), dürfte die EZB zu weiteren expansiven Maßnahmen greifen lassen, wie etwa ein Absenken der Leitzinsen, und das möglicherweise bereits im Juli/August”, schreibt Polleit in einem Marktkommentar.Eine andere Sicht vertritt Commerzbank-Ökonom Michael Schubert. Zwar ist auch er der Ansicht, dass der entscheidende Faktor für die Politik der EZB die Kreditvergabe ist. Aber hier spiele derzeit weniger das Angebot und mehr eine geringe Nachfrage etwa von Seiten der Verbraucher eine Rolle. “Da die Nachfrage kaum durch die EZB zu beeinflussen ist, dürfte die Notenbank gegenwärtig nicht über weitere unkonventionelle Maßnahmen nachdenken”, sagt Schubert. Kredite überraschen positivAußerdem macht er sogar eine “leichte positive Überraschung” bei den Krediten an Unternehmen aus. Tatsächlich lagen die ausstehenden Kredite an Firmen außerhalb der Finanzbranche im April um 0,5 % über dem Vorjahreswert. Im März hatte die Jahreswachstumsrate noch etwas niedriger bei 0,3 % gelegen. Bereinigt um Kreditverkäufe und Kreditverbriefungen lag die Rate im April sogar bei 0,7 % und im März bei 0,5 %. Letztere Werte sind für die EZB entscheidend, weil die bereinigten Daten die tatsächliche Kreditbereitschaft der Banken spiegeln.Vor allem Deutschland dürfte die Zahlen für die gesamte Eurozone derzeit nach oben ziehen. Für die Unternehmen in der größten Volkswirtschaft des Eurogebiets sind die Finanzierungsbedingungen derzeit so gut wie zuletzt im Boomjahr 2007. Dies geht aus einer Umfrage der KfW Bankengruppe gemeinsam mit mehreren Wirtschaftsverbänden unter 3 400 Unternehmen im ersten Quartal hervor. Zwar sehen sich noch immer insgesamt mehr Unternehmen mit Erschwernissen bei der Kreditaufnahme konfrontiert als mit Erleichterungen (24 % gegenüber 7 % der Unternehmen). Der Anteil der Firmen, die über entsprechende Schwierigkeiten klagen, sank gegenüber der Befragung des Vorjahres aber um gut 4 Prozentpunkte.Sorgen dürften aber auch der deutschen Wirtschaft die sich eintrübenden Konjunkturdaten bereiten. Vor allem Bankvolkswirte blicken derzeit sorgenvoll auf das eng gefasste Geldmengenaggregat M 1. In der Vergangenheit war M 1 stets ein guter Vorläufer für die Konjunktur. Im April sank die Jahresrate für diese Größe auf 1,8 %. Absolut ging die Geldmenge M 1 im Vergleich zum März um 55 Mrd. Euro zurück. Damit gibt es also trotz der nicht ganz so düsteren Nachrichten über die Kreditvergabe der Banken noch mehr Futter für die Tauben im EZB-Rat.—– Bericht Seite 9 ——GELDMENGE- Nach der Definition des Eurosystems umfasst die eng gefasste Geldmenge M 1 den Bargeldumlauf sowie täglich fällige Einlagen von Ansässigen des Euroraums (außer Zentralregierungen) bei Banken.- Die Geldmenge M 2 umfasst M 1 sowie Einlagen mit vereinbarter Laufzeit von bis zu zwei Jahren und Einlagen mit vereinbarter Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten.- Die weit gefasste Geldmenge M 3 umfasst M 2 sowie Repogeschäfte, Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere sowie Schuldverschreibungen mit einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren. BZ——