Eurozone

Gemischte Signale von der Inflationsfront

Angesichts des völlig offenen weiteren Vorgehens der EZB waren die Inflationsdaten für August mit noch größerer Spannung als sonst schon erwartet worden. Die Signale sind gemischt. Für die EZB bleibt es aber ungemütlich.

Gemischte Signale von der Inflationsfront

Entgegen der allgemeinen Erwartung hat sich die Inflation im Euroraum im August nicht weiter abgeschwächt. Stattdessen stagnierte sie laut einer ersten Schätzung der EU-Statistikbehörde Eurostat bei 5,3%. Zwar ging die wichtige Kernrate ohne Energie und Lebensmittel wie erwartet erneut zurück, von 5,5% auf 5,3%. Und für die nächsten Monate zeichnet sich auch bei der Gesamtrate ein spürbarer Rückgang ab. Dennoch belegen die neuen Daten die Hartnäckigkeit des Inflationsproblems. Für die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt die Lage ungemütlich.

Die am Donnerstag veröffentlichten Inflationsdaten gelten als besonders entscheidend im Vorfeld der EZB-Zinssitzung am 14. September. Der Ausgang dieses Treffens scheint aktuell komplett offen. Möglich ist sowohl eine weitere Zinserhöhung als auch eine Zinspause. Hintergrund ist das Dilemma der EZB: Einerseits liegt die Inflation trotz ihres deutlichen Rückgangs seit Oktober 2022 weiter merklich oberhalb des mittelfristigen EZB-Ziels von 2,0%. Andererseits schwächt sich die Wirtschaft stärker ab als auch von der EZB erwartet und Rezessionssorgen nehmen zu.

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte sich nicht zuletzt deshalb Ende vergangener Woche beim Fed-Symposium in Jackson Hole alle Optionen offengehalten. Ihre Kollegen aus dem EZB-Rat hatten danach durchaus gegensätzliche Signale gegeben. So hatte etwa Österreichs Notenbankchef Robert Holzmann einer weiteren Anhebung im September das Wort geredet (vgl. BZ vom 29. August). Dagegen hat Portugals Zentralbankchef Mario Centeno zur Vorsicht gemahnt (vgl. BZ vom 26. August). Seit Juli 2022 hat der EZB-Rat seine Leitzinsen um 425 Basispunkte angehoben – so aggressiv wie nie seit der Euro-Einführung.

Die Inflationsdaten waren deshalb mit noch größerer Spannung erwartet worden als sonst ohnehin. Der ausbleibende Rückgang bei der Gesamtrate enttäuschte dabei. Ökonomen hatten im Konsens einen weiteren Rückgang auf 5,1% erwartet. „Nach wie vor ist immer noch viel Druck auf dem Inflationskessel“, sagte Bastian Hepperle, Ökonom beim Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe. „Das Inflationsproblem hat sich für die EZB bei weitem noch nicht erledigt“, sagte auch Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank.

Dass die Gesamtrate nicht weit nachgab, lag insbesondere an der Entwicklung der Energiepreise. Sie legten auf Monatssicht um 3,2% zu. Dadurch schwächte sich der Preisrückgang gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich ab. Im Juli hatte das Minus noch bei 6,1% gelegen und jetzt nur noch bei 3,3%. Die Preise für Lebensmittel, Alkohol und Tabak nahmen dagegen um 9,8% zu, nach zuvor 10,8%. Industriegüter ohne Energie verteuerten sich um 4,8%. Im Juli hatte der Anstieg bei 5,0% gelegen. Die Preise für Dienstleistungen zogen um 5,5% an, nach 5,6% im Juli.

Anders als die Gesamtrate ging die Kernrate ohne Energie und Lebensmittel aber zurück, und das wie erwartet. „Die EZB dürfte dies mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen“, sagte Christoph Weil, Volkswirt bei der Commerzbank. Die Kernrate gilt als besserer Gradmesser für den zugrunde liegenden Preisdruck und steht deshalb auch bei der EZB derzeit besonders im Fokus. Sie liegt mit 5,3% aber immer noch nahe ihres Rekordhochs von 5,7% im März.

Ökonomen uneins

Für die nächsten Monate zeichnet sich ein deutlicher Rückgang der Inflation ab. Hintergrund ist nicht zuletzt, dass staatliche preisdämpfende Maßnahmen in Deutschland aus dem Vorjahr aus der Vergleichsstatistik fallen. Jörg Angelé, Volkswirt bei Bantleon, sieht die Inflation beispielweise bis zum Jahresende auf Werte zwischen 2,5% und 3,0% sinken. 2024 sieht er sie dann größtenteils unter 2% und im Jahresdurchschnitt bei 1,8%.

Andere Volkswirte dagegen sind weniger zuversichtlich und sehen auch die erhöhten Inflationserwartungen als Problem an. „Einen Rückgang der Kernteuerungsrate auf 2% halten wir auf Sicht der kommenden zwei Jahre für wenig wahrscheinlich“, sagte etwa Weil. „Denn mit den kräftig steigenden Löhnen steht bereits eine neue Kostenwelle ins Haus, die insbesondere die Preise für Dienstleistungen weiter in die Höhe treiben wird.“

Was die Implikationen der Daten für den EZB-Kurs und speziell die September-Sitzung betrifft, gab es am Donnerstag unterschiedliche Einschätzungen. „Angesichts des Mantras der EZB in den letzten Monaten, dass zu wenig zu tun schlimmer ist, als zu viel zu tun, erwarten wir eine weitere Zinserhöhung um 25 Basispunkte, auch wenn dies eine knappe Entscheidung ist“, sagte etwa Bert Colijn, Ökonom bei der ING. Dagegen sagte Commerzbank-Experte Weil: „Wir gehen unverändert davon aus, dass der EZB-Rat auf seiner Sitzung im September die Leitzinsen nicht weiter erhöhen wird.“

Gemischte Signale von der Inflationsfront

Kernteuerung in der Eurozone geht zurück – Gesamtrate stagniert überraschend

Angesichts des völlig offenen weiteren Vorgehens der Europäischen Zentralbank (EZB) waren die Inflationsdaten für August mit noch größerer Spannung als sonst schon erwartet worden. Die Signale für die kommende Zinssitzung im September sind gemischt. Für die EZB bleibt es aber ungemütlich.

ms Frankfurt
Wertberichtigt Seite 2
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