LEITARTIKEL

Gezerre ums Geld

Große Pläne haben Bund und Länder bei der Neuordnung ihrer Staatsfinanzen bis 2020. Sie wollen nicht allein die Einnahmen neu aufteilen, sondern die Chance nutzen, um klare und bessere Strukturen zwischen den Ebenen der Gebietskörperschaften zu...

Gezerre ums Geld

Große Pläne haben Bund und Länder bei der Neuordnung ihrer Staatsfinanzen bis 2020. Sie wollen nicht allein die Einnahmen neu aufteilen, sondern die Chance nutzen, um klare und bessere Strukturen zwischen den Ebenen der Gebietskörperschaften zu schaffen. Die Verflechtung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sowie der Länder untereinander ist mittlerweile zu einem nahezu undurchschaubaren Dickicht geworden. Dabei scheint die Aufgabenteilung im föderalen System über das Grundgesetz klar geregelt und ebenso die Verteilung des Steueraufkommens.Im vertikalen Finanzausgleich teilen sich Bund, Länder und Gemeinden Lohn-, Einkommen-, Körperschaft- und Umsatzsteuer nach einem Schlüssel. Im horizontalen Finanzausgleich schlüsseln Länder und Gemeinden die ihnen zustehenden Steueranteile nach Einwohnern oder Betriebsstätten auf. In einem zweiten Schritt fließen Mittel von den reichen in die armen Länder, um die im Grundgesetz verankerten gleichwertigen Lebensverhältnisse zu schaffen. Bayern, Baden-Württemberg und Hessen sind die wenigen Zahler, die in diesem System – nachvollziehbar missmutig – an alle übrigen 13 Länder Steuereinnahmen abgeben müssen.Doch dabei bleibt es nicht. Wo das Geld nicht reicht oder weitere Aufgaben zu erfüllen sind, mischt sich der Bund ein und greift den Ländern mit Bundesergänzungszuweisungen unter die Arme. So bekommen etwa Bremen, das Saarland, Berlin, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein zusätzliche Mittel, um auf einen Kurs solider Finanzen zu gelangen. Damit nicht genug der Verwirrung: der Bund zahlt nun auch noch jenseits des gegebenen Regelwerks, um politische Wünsche der schwarz-roten Koalition zu erfüllen, oder erhört Hilferufe. So stöhnen die Kommunen etwa über Ausgaben zur Grundsicherung im Alter oder zum Aufbau von Kinderkrippen und Kitas, über die in Berlin entschieden worden ist, die ihnen aber nun finanziell über den Kopf wachsen. Sie bekommen von Schwarz-Rot dafür ebenso finanzielle Unterstützung vom Bund wie die Länder, die damit außeruniversitäre Forschungseinrichtungen und Hochschulen ausbauen sollen, weil die Bundesregierung dieses Ziel auf ihrer politischen Agenda hat. Alles hängt irgendwie mit allem zusammen. Drehen die Verhandlungspartner an einem kleinen Rädchen, hat dies gleich Auswirkungen an vielen anderen Stellen. Das macht die Gespräche so schwierig.Der Terminkalender für das Mammutvorhaben der Finanzreform ist gesetzt. 2019 läuft der Solidarpakt zur Unterstützung der neuen Bundesländer aus. Auch die Umverteilung der Mittel im horizontalen Finanzausgleich muss bis dahin neu verhandelt sein. Die offiziellen Gespräche der Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für den Bund und Norbert Walter-Borjans (SPD) aus Nordrhein-Westfalen für die Länder sowie Hamburgs Erstem Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) stehen unter strengerem Regime als bislang. Denn von 2020 an müssen die Länderhaushalte strukturell ausgeglichen sein. Der Fluchtweg in die Neuverschuldung ist versperrt.Nötig ist, bei den anstehenden Verhandlungen die vielfältigen und unsystematischen Finanzbeziehungen zwischen den Gebietskörperschaften zu kappen und zu entwirren. Nur ohne die unkalkulierbaren Wechselwirkungen lassen sich Aufgaben und Ausgaben wieder in Einklang bringen. Ein echter Fortschritt wäre es, wenn die Länder über ein Zuschlagsrecht auf Einkommen- und Körperschaftsteuer erstmals individuelle Hoheit über ihre Steuereinnahmen gewinnen könnten. Dies nimmt sie in die Verantwortung. Zudem könnte so der Einstieg in den Ausstieg gelingen aus dem deutschen Unikum der Gewerbesteuer. Ebenso abgeschafft gehört 25 Jahre nach dem Mauerfall der Solidaritätszuschlag für den Aufbau Ost. Die Verhandlungspartner sollten aber so ehrlich bleiben, den Soli nicht auf andere Steuern umzulegen und dies mit dem Abbau der kalten Progression zu verquicken. Den Bürgern lässt sich damit keine Steuerentlastung vorgaukeln. Zentral ist auch, dem Stabilitätsrat als Kontrollgremium über Bund- und Länderfinanzen Zähne zu verpassen. Die Länder mögen klagen, dass dieser Schritt die Finanzhoheit ihrer Parlamente antastet. Was für Europa gilt, hat auch national seine Berechtigung: Länder, die ihre Finanzen nicht in den Griff bekommen und dauerhaft auf Hilfe bauen, müssen sich disziplinarische Eingriffe gefallen lassen. Gelingen hier Fortschritte, wird die Föderalismusreform mehr bringen als nur Gezerre ums Geld.——–Von Angela WefersDie Finanzbeziehungen von Bund und Ländern sind undurchsichtig. Die Föderalismusreform muss mehr als Geld umverteilen. Das Dickicht braucht Licht.——-