Giulio Tremonti unter Korruptionsverdacht
tkb – Gegen Italiens ehemaligen Finanz- und Wirtschaftsminister Giulio Tremonti wird gerichtlich ermittelt. Er steht unter Verdacht der Korruption. Die von ihm gegründete und nun wieder geleitete Steuerberatungskanzlei Vitali, Romagnoli, Picardi e Associati hatte 2008 den halbstaatlichen Rüstungskonzern Finmeccanica bei der Übernahme der US-Firma DRS Technologies beraten. Schwenk zur BefürwortungTremonti als damaliger Wirtschafts- und Finanzminister hatte sich ursprünglich gegen den Deal ausgesprochen, der sich inzwischen als Flop erwies. Finmeccanica erwarb die US-Firma für 5,2 Mrd. Dollar, heute ist sie nur mehr die Hälfte wert. Doch als seine Kanzlei den Beratungsvertrag unterzeichnete, machte er einen Schwenk: Seine anfänglichen Bedenken wandelten sich in eine Befürwortung des DRS-Kaufs. Die beiden Mailänder Staatsanwälte Roberto Pellicano und Giovanni Polizzi sehen auch in der abrupten Meinungsänderung ein Zeichen der Korruption.Der Interessenkonflikt Tremontis als Finanzminister und seine Beteiligung bei der Steueranwaltskanzlei standen seit je im Kreuzfeuer der Kritik. Tremonti beteuerte jedoch, dass er die Tätigkeiten zu trennen wisse. Wechsel zur Forza ItaliaDer 67-jährige Steueranwalt aus dem norditalienischen Städtchen Sondrio Giulio Tremonti begann seine politische Karriere als Sozialist, schwenkte aber bereits in den neunziger Jahren, als Silvio Berlusconi in die Politik einstieg, zur Forza Italia über. Tremonti, der sich selbst als liberalen Sozialisten bezeichnet, lehrte unter anderem Steuerrecht an der Universität Pavia und war auch als Lektor in Oxford tätig. Von 1994 bis 2011 war Tremonti viermal Wirtschafts- und Finanzminister und beeinflusste damit wesentlich Italiens Wirtschaftsentwicklung. Tony Blair bezeichnete Professor Tremonti als den “gebildetsten Wirtschaftsminister Europas”. Er hat verschiedene wissenschaftliche Abhandlungen veröffentlicht und war ein vehementer Vertreter des Steuerföderalismus. Während seiner Amtszeit ging er gegen das zentrale Steuersystem in Rom vor und kritisierte Bankenstiftungen wegen ihres politischen Einflusses.