WTO

Glücksfall aus Nigeria

Die ramponierte Welthandelsorganisation hat eine Hoffnungsträgerin bitter nötig – und die neue WTO-Chefin Ngozi Okonjo-Iweala hat diesen Titel verdient.

Glücksfall aus Nigeria

Die richtige Frau zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Die Nigerianerin Ngozi Okonjo-Iweala wird in Kürze als erste Frau den Chefposten bei der Welthandelsorganisation (WTO) übernehmen, weil der neue US-Präsident Joe Biden die ohnehin nur vorgeschobenen Einwände seines Vorgängers Donald Trump gegen ihre Berufung kassiert hat. Damit ist der seit Monaten vorgezeichnete Aufstieg Okonjo-Iwealas an die Spitze der schwer angeschlagenen Institution endlich frei – ein Glücksfall in jeder Hinsicht.

Okonjo-Iweala ist eine Hoffnungsträgerin, die diesen Titel verdient. Zwar hat sich die in Harvard promovierte Entwicklungsökonomin nicht als Handelsexpertin hervorgetan. Doch auf die Feinheiten des Handelsrechts kommt es in ihrem neuen Job gar nicht an, auch wenn die Trump-Regierung das weismachen wollte, um ihre Blockade aus Prinzip zu rechtfertigen. Die 66-Jährige bringt Eigenschaften mit, die um ein Vielfaches wertvoller sind: Sie gilt als durchsetzungsstark, bestens vernetzt und diplomatisch versiert – allesamt Qualitäten, die ihr Vorgänger Roberto Azevêdo in den Augen vieler vermissen ließ.

Ihr Lebenslauf spricht für sich: Karriere bei der Weltbank samt Aufstieg in den Führungszirkel, dazu zwei Amtszeiten als Finanzministerin Nigerias, in denen sie sich als Kämpferin gegen Korruption profilierte. Obendrein leitet sie die Impfstoffallianz Gavi, die sich um eine gerechte Verteilung von Impfstoffen in aller Welt bemüht. Es ist handelspolitisch vermintes Gelände: Schwellen- und Entwicklungsländer fordern, den Patentschutz für Vakzine auszusetzen, um den Kampf gegen die Pandemie zu forcieren. Die Fraktion der führenden Volkswirtschaften um EU und USA lehnt das ab. Die Emotionen kochen hoch, ein Kompromiss ist nicht in Sicht. Die neue WTO-Chefin hat sogleich Gelegenheit, sich als neutrale Vermittlerin zu beweisen, die gegenläufige Interessen ausbalancieren kann.

An Bewährungsproben auf den ersten Metern ihrer fünfjährigen Amtszeit mangelt es nicht. Die Vorbereitung der wichtigen Ministerkonferenz im Juni, wo essenzielle Reformen am Regelwerk des durch Handelskonflikte und die Rivalität der Wirtschaftsmächte USA, China und EU zerrütteten Welthandelssystems anstehen, erfordert ihr volles Verhandlungsgeschick. Ebenso die Reparatur der Streitbeilegung, die Trump lahmgelegt hat.

Zu den ersten Gratulantinnen zählte Christine Lagarde, wie Okonjo-Iweala fachfremde Führungsfrau. Die Juristin an der Spitze der Europäischen Zentralbank bemühte sich gar nicht erst, ihre Begeisterung zu verbergen: „Sie wird den Laden rocken.“

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