NOTIERT IN LONDON

Gotteslästerung bleibt vorerst straffrei

Die britische Regierung hat eine Definition von Islamophobie abgelehnt, die sowohl mit der Meinungsfreiheit als auch mit dem Schutz der Bevölkerung vor islamistischem Terror unvereinbar gewesen wäre. Vorgeschlagen hatte sie eine parteiübergreifende...

Gotteslästerung bleibt vorerst straffrei

Die britische Regierung hat eine Definition von Islamophobie abgelehnt, die sowohl mit der Meinungsfreiheit als auch mit dem Schutz der Bevölkerung vor islamistischem Terror unvereinbar gewesen wäre. Vorgeschlagen hatte sie eine parteiübergreifende Vereinigung von Abgeordneten, die All-Party Parliamentary Group on British Muslims (APPG), der unter anderem Anna Soubry von Change UK angehört. Heute wird das Unterhaus darüber diskutieren. “Islamophobie hat ihre Wurzeln im Rassismus und ist eine Art von Rassismus, der auf Ausdrucksformen des Muslimseins oder wahrgenommenes Muslimsein zielt”, heißt es in der umstrittenen Begriffsbestimmung, die unter anderem von Labour, den Liberaldemokraten und dem Londoner Bürgermeister Sadiq Khan befürwortet wird. Sie trägt die Handschrift selbst ernannter Religionsvertreter wie Muslim Council of Britain (MCB) und Muslim Engagement and Development (MEND).Mehr als 40 Akademiker, Autoren und Aktivisten wie Bassam Tibi, Richard Dawkins oder Sadia Hameed vom Council of Ex-Muslims of Britain warnten dagegen in einem offenen Brief vor der “unkritischen und hastigen” Übernahme der Definition, die zu einer Vertiefung der Spannungen zwischen den Bevölkerungsgruppen und zu einer Einschränkung der Redefreiheit führen könne. “Wir befürchten, dass Islamophobie-Vorwürfe dazu genutzt werden, islamische Glaubensvorstellungen und selbst Extremisten wirksam vor Kritik abzuschirmen – tatsächlich werden sie es bereits”, heißt es in diesem Schreiben. “Eine Formalisierung dieser Definition würde dazu führen, dass sie wie ein durch die Hintertür eingeführtes Blasphemiegesetz eingesetzt wird.” Nun sollen zwei unabhängige Berater für die Regierung eine “rechtlich weniger problematische” Definition ausarbeiten, berichtet die “Times”.Was auf den ersten Blick wie eine gute Idee für den Schutz einer religiösen Minderheit erscheint, war in Wirklichkeit der Versuch, nicht die Menschen, sondern eine Idee zu schützen: den Islam, ohne genauer zu spezifizieren, worum es sich dabei handelt. Muslimfeindlichkeit wäre eine Alternative, die sich auf die Menschen bezieht.Die APPG-Definition berge das Risiko, für Verwirrung zu sorgen, indem sie das, was manche für legitime Kritik an den Lehren des Islam halten, als rassistisches Hassverbrechen darstelle, sagte Neil Basu, Head of Counter Terrorism Policing. Das könne in einer liberalen Demokratie, die Redefreiheit zu ihren Grundwerten zähle, nicht rechtens sein. Sara Khan, die Vorsitzende der Anti-Extremismus-Kommission, fürchtet die ungewollten Konsequenzen einer verschwommenen Definition. Es könne dadurch unmöglich gemacht werden, auf islamistischen Extremismus aufmerksam zu machen und diesen anzugehen. Die Definition sei zudem nicht dazu angetan, Minderheiten unter den Muslimen wie Homosexuelle oder die Ahmadiyya-Gemeinschaft zu schützen, deren “Muslimsein” von Extremisten in Frage gestellt werde. Martin Hewitt, der Vorsitzende des National Police Chiefs` Council, warnte davor, dass die Bemühungen der Polizei im Kampf gegen der Terror unterminiert werden könnten. Die ehemalige Vorsitzende der Konservativen Sayeeda Warsi nannte das “unverantwortliche Angstmache”. Es handele sich um eine “nicht rechtsverbindliche Arbeitsdefinition”.Wie einem Bericht der Denkfabrik Policy Exchange zu entnehmen ist, wurden unter anderem die Labour-Abgeordnete Sarah Champion aus Rotherham, die auf den massenhaften Kindesmissbrauch durch kriminelle Banden von Männern vornehmlich muslimischen Glaubens aufmerksam machte, Maajid Nawaz, der Gründer der Denkfabrik Quilliam, und die “Evening Standard”-Kolumnistin Yasmin Alibhai-Brown mit Islamophobie-Vorwürfen belegt. Würde die APPG-Definition abgesegnet, ließen sich damit im öffentlichen Interesse liegende Untersuchungen verhindern. Der Bericht verweist dabei etwa auf die Ermittlungen zur Unterwanderung von Schulbeiräten durch islamistische Extremisten in Birmingham oder zum Wahlbetrug, durch den Lutfur Rahman Bürgermeister von Tower Hamlets wurde. Zu seinen Verfassern gehört Trevor Phillips, der dem Kampfbegriff “Islamophobie” in Großbritannien einst versehentlich zum Durchbruch verhalf.