GASTBEITRAG

Grenzen des Wachstums für Betriebsprüfung

Börsen-Zeitung, 20.1.2018 Das Bundesfinanzministerium hat jüngst auf der Grundlage der Meldungen der Länder die jährliche Statistik über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung für das Jahr 2016 vorgelegt. Eine zusammenfassende Darstellung...

Grenzen des Wachstums für Betriebsprüfung

Das Bundesfinanzministerium hat jüngst auf der Grundlage der Meldungen der Länder die jährliche Statistik über die Ergebnisse der steuerlichen Betriebsprüfung für das Jahr 2016 vorgelegt. Eine zusammenfassende Darstellung der BMF-Statistiken für die Jahre 2007 bis 2016 ergibt einen Trend, über dessen Ursachen zu reden ist.Zunächst fällt auf, dass der für 2016 ermittelte Gesamtwert von 13,5 Mrd. Euro im Zehnjahresvergleich mit einigem Abstand den geringsten Wert ausmacht. Er ist sogar niedriger als der Wert des Jahres 2010, der noch durch die Folgen der Finanzkrise in den Jahren 2007 bis 2009 geprägt war. Eine Erklärung für den Rückgang im Jahre 2016 liegt in der Reduzierung des auf die Umsatzsteuer zurückgehenden Mehrergebnisses um 700 Mill. Euro gegenüber dem Vorjahr. Rechtsprechung wirktDies dürfte im Wesentlichen darauf beruhen, dass die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs die Anforderungen an formale Kriterien in zum Vorsteuerabzug berechtigenden Rechnungen in der Form reduziert hat, dass Korrekturen nicht erst im Jahr ihrer Vornahme, sondern schon im Prüfungszeitraum steuerlich berücksichtigt werden können. Es handelt sich dabei um einen klassischen Fall von nicht dauerhaften Mehrergebnissen, der im Wesentlichen wegen der Zinswirkungen von den Betriebsprüfungen – gestützt durch die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes – verfolgt wurde. Es ist wohl davon auszugehen, dass diese Entwicklung bei der Umsatzsteuer dauerhaft ist.Der erhebliche Rückgang der Zinsen um 600 Mill. Euro gegenüber 2015 erklärt sich zum Teil auch aus diesen umsatzsteuerlichen Sachverhalten. Zum anderen dürfte sich hier ausgewirkt haben, dass die Unternehmen mit Erfolg Strategien entwickelt haben, um so weit wie möglich – zum Beispiel durch Vorauszahlungen auf das erwartete Mehrergebnis – die exzessiven, nicht marktgerechten Zinsen der Abgabenordnung von 6 % p. a. auf Steuernachzahlungen zu vermeiden. Dieses deutlich schlechtere Zinsergebnis kann dazu führen, dass der Saldo zwischen eingenommenen Nachzahlungszinsen und von den Finanzbehörden und den Kommunen zu zahlenden Erstattungszinsen aus deren Sicht negativ wird.Dadurch könnte sich – was zu wünschen wäre – der politische Druck auf eine spürbare Reduzierung der Zinsen in der Abgabenordnung deutlich erhöhen. Man darf gespannt sein, wie der Zinssaldo des Jahres 2017 aussehen wird, nachdem hohe Erstattungszinsen auch auf die zurückgezahlten Brennelementesteuern angefallen sind. Hoher ZinsanteilWie die Tabelle im Übrigen zeigt, beläuft sich der Anteil der Zinsen am gesamten Mehrergebnis immer noch auf 16,3 % nach 17,8 % im Vorjahr. Mit dem Rückgang der Umsatzsteuer und der Zinsen ist allerdings das um insgesamt 2,2 Mrd. Euro geringere Mehrergebnis noch nicht ganz erklärt. Rund eine weitere Milliarde Euro beruht auf Reduzierungen bei allen drei Ertragsteuern, allerdings in unterschiedlichem Umfang. Hier wird ein Trend erkennbar, der sich schon – wie aus der Tabelle ersichtlich – seit einigen Jahren abzeichnet und deshalb nicht mehr mit Einzelvorgängen erklärt werden kann.Hierfür ist weder nachlassender Eifer der Betriebsprüfer noch eine mangelnde personelle Ausstattung der Betriebsprüfungsdienste ursächlich. Zum Beispiel hat das Land Nordrhein-Westfalen erst vor zwei Jahren massiv die Außenprüfungsdienste verstärkt. Maßgeblich für den Rückgang dürfte vielmehr ein geändertes Erklärungsverhalten vieler Unternehmen sein, die aus einer Kombination von Rücksichtnahmen auf erhöhte Compliance-Anforderungen sowie auf die massiven Zinskonsequenzen von Steuernachzahlungen vorsichtigere Bilanzansätze deklariert haben, insbesondere bezogen auf solche Sachverhalte, die – soweit bilanzsteuerrechtlich zulässig – als Steuerminderungsposten auch im Rahmen einer Betriebsprüfung noch nachgetragen werden können und so als Puffer gegen steuererhöhende Feststellungen der Betriebsprüfung dienen können.Interessant ist bei einem Blick auf die Zehnjahresstatistik auch, dass der Anteil der von den Betriebsprüfungen hereingeholten Mehrsteuern am jeweiligen Jahresaufkommen der Unternehmenssteuern deutlich zurückgeht. Dabei ist eine Beschränkung auf die Werte bei der Gewerbesteuer und der Körperschaftsteuer notwendig, weil der Anteil der der Betriebsprüfung unterliegenden Unternehmen am Gesamtaufkommen der Einkommensteuer nicht seriös zu ermitteln ist. Sinkender TrendInsbesondere bei der Körperschaftsteuer ergibt sich im Verlaufe der Jahre ein deutlicher Trend hin zu einem Anteil von nur noch ca. 10 % in 2016, mit dem die Betriebsprüfung zum körperschaftsteuerlichen Gesamtaufkommen beiträgt. Auch diese Auswertung belegt über die Jahre einen Trend, der für die steuerliche Betriebsprüfung die Grenzen des Wachstums beschreibt und der bei Überlegungen über die künftige personelle Ausstattung der Betriebsprüfungsdienste beachtet werden sollte. Auf die Zahlen für 2017 darf man gespannt sein.—-Bernd Jonas, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Essen