Grenzkontrollen stoßen auf Kritik
sp Berlin
Die seit Sonntag durchgeführten Grenzkontrollen an der deutschen Grenze zu Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol haben am Montag für kilometerlange Staus im Grenzverkehr und für Kritik der europäischen Nachbarn gesorgt. Die Bundesregierung verteidigte die Maßnahme, mit der die Verbreitung von hochansteckenden Virusvarianten in der Corona-Pandemie gebremst werden soll. Die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sei der „absolute Ausnahmefall“, betonte ein Sprecher von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) am Montag. Mit Blick auf die Ausbreitung der Virusvarianten in einigen Regionen und Staaten Europas „musste die Bundesregierung hier handeln“, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Derzeit dürfen aus den betroffenen Gebieten nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Die verschärften Einreiseregeln sind laut Innenministerium zunächst auf zehn Tage bis zum 23. Februar befristet. Sie können auf maximal drei Monate verlängert werden.
Kritik an den Kontrollen kam unter anderem aus Österreich. „Die Maßnahmen haben ganz schwerwiegende Auswirkungen auf ganz Österreich und stehen daher in einem klaren Widerspruch zu den ‚lessons learned‘ aus dem letzten Frühjahr“, sagte der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg. Der deutsche Botschafter in Wien, Ralf Beste, wurde deshalb bereits am Sonntagabend ins Außenministerium zitiert und auf die aus österreichischer Sicht Unverhältnismäßigkeit der deutschen Schritte hingewiesen, hieß es aus dem Ministerium. Um eine Einbestellung des Botschafters handelte es sich dabei nicht, wie das Auswärtige Amt am Montag betonte.
Auch aus Frankreich kamen zum Wochenauftakt kritische Töne. „Das ist eine harte Entscheidung“, sagte der französische Europa-Staatssekretär Clément Beaune zu den verschärften Grenzkontrollen und kündigte Gespräche mit den Regierungschefs der drei an Frankreich grenzenden Bundesländer Saarland, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg an, damit es keine „bösen Überraschungen“ an der gemeinsamen Grenze gebe. Schließlich gibt es im grenznahen Département Moselle nach Angaben der französischen Regierung vergleichsweise viele Infektionsfälle, die auf hochansteckende Virusvarianten aus Brasilien und Südafrika zurückgehen.
Zulieferverkehr im Blick
Nachdem zuvor auch die EU-Kommission Kritik gerade mit Blick auf die Situation von Berufspendlern geübt hatte, erklärte das Bundesinnenministerium am Montag, dass bis Mitte der Woche behördliche Bescheinigungen für Pendler vorliegen sollten, die als systemrelevant eingeschätzt werden, um ihnen den Grenzverkehr zu ermöglichen. Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) stellte klar, dass sein Land anders als 2020 keine Grenzen für Pendler schließen werde.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) warnte vor negativen Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft durch Grenzschließungen. Der Verband der deutschen Automobilindustrie (VDA), der die Auswirkungen für die Lieferketten der Branche im Blick hat, sprach von einer „sehr schwierigen“ Lage und forderte ein „intelligentes Grenzmanagement“, damit Lkw-Fahrer mit negativem Corona-Test rasch die Kontrollen passieren können. Eine Sprecherin des Wirtschaftsministeriums sagte, dass es bei Problemen im Lieferverkehr Anpassungen geben müsse.
Ein Sprecher des Innenministeriums räumte ein, dass es wegen der Kontrollen zu Staus und Wartezeiten komme. Die Bundespolizei habe bislang 10000 Personen kontrolliert und die Hälfte davon zurückgewiesen. Die Deutsche Bahn hat den Personennah- und Fernverkehr über die Grenze zu Tirol und Tschechien eingestellt. Der Schienen-Güterverkehr läuft dem Staatsunternehmen zufolge ohne Probleme.
In der anhaltenden Debatte über mögliche Lockerungen des gerade verlängerten Zwangsstillstands in Deutschland warb die Bundesregierung für einen vorsichtigen Kurs. Öffnungen dürften nicht unmittelbar danach zu einem raschen Anstieg der Infektionszahlen führen, sagte Regierungssprecher Seibert. Gefragt nach den Aussichten für den diesjährigen Osterurlaub sagte Seibert, dass zunächst die Entwicklung der kommenden Wochen abzuwarten sei.