BREXIT

Grenzüberschreitung

Theresa May wird sich wohl noch einmal überlegen müssen, ob sie wirklich bei den Royal Marines den Rotstift ansetzen will. Denn im EU-Entwurf der Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen heißt es, ein Handelsabkommen könne nur mit Zustimmung Spaniens...

Grenzüberschreitung

Theresa May wird sich wohl noch einmal überlegen müssen, ob sie wirklich bei den Royal Marines den Rotstift ansetzen will. Denn im EU-Entwurf der Leitlinien für die Brexit-Verhandlungen heißt es, ein Handelsabkommen könne nur mit Zustimmung Spaniens auch für Gibraltar gelten. 35 Jahre nach Beginn des Falkland-Kriegs flammten darob die Phantomschmerzen wieder auf, die viele konservative britische Politiker seit Verlust des Empire plagen.Der Hitler-Freund Generalissimo Francisco Franco hätte seine wahre Freude an diesem verstörenden Aprilscherz aus Brüssel gehabt, versuchte er doch erfolglos, den von Spanien im Vertrag von Utrecht 1713 für alle Zeiten an die Briten abgetretenen Affenfelsen zurückzuholen. Seine Bewohner verweigerten dem Caudillo 1967 die Gefolgschaft.Man sollte die Drohungen aus London, für Gibraltar in den Krieg zu ziehen, nicht einfach abtun. Schließlich geht es um ein strategisch wichtiges Territorium, dessen rund 30 000 Bewohner sich zuletzt 2002 mit überwältigender Mehrheit für den Verbleib im Vereinigten Königreich entschieden haben. Damals hatte die Blair-Regierung mit der Idee einer geteilten Souveränität Schiffbruch erlitten. Nun gibt sich die spanische Seite wohl der Illusion hin, dass die 96 % der Bevölkerung, die gegen den EU-Austritt des Vereinigten Königreichs gestimmt haben, lieber aus Madrid regiert würden. Zudem verkauft Spanien, das mit Ceuta und Melilla Europas letzte Kolonien in Afrika unterhält, seine Gebietsansprüche zeitgemäß als Beitrag zum Kampf gegen Steuerflucht und Finanzakrobatik.Man darf davon ausgehen, dass das Papier nicht von Brüsseler Praktikanten verfasst wurde. Es wird wohl auch nicht ohne den Segen Berlins das Büro von Donald Tusk verlassen haben. Die EU hat mit der Handreichung zu den Brexit-Verhandlungen eine Grenze überschritten, die im Umgang unter befreundeten Ländern gilt. Wenn einfach so – als Gimmick, um am Verhandlungstisch keine Langeweile aufkommen zu lassen – ein abgekühlter Territorialkonflikt hochgekocht wird, macht das wenig Hoffnung für den weiteren Verlauf der Gespräche.Nicht die Wallonen also, die fast einen Strich durch das Freihandelsabkommen der EU mit Kanada gemacht hätten, sondern die Erben des spanischen Kolonialreichs könnten am Ende dafür sorgen, dass keine Einigung zwischen Brüssel und London zustande kommt. Das hätten sie auch ohne den umstrittenen Entwurf gekonnt, wie jedes Mitgliedsland. Das Problem ist, dass sie dazu ermutigt worden sind.