Griechenlands Chefstatistiker hat genug
fed – Das Ende der Amtszeit des Leiters einer nationalen Statistikbehörde gehört sicherlich gemeinhin nicht zu den Ereignissen, die als Stoff für Spielfilme taugen. Im Fall von Andreas Georgiou liegt die Sache etwas anders. Der gestrige Abtritt des 55-Jährigen war wahrscheinlich emotionaler als mancher Abschied eines Rockidols oder Fußballstars. Denn Georgiou hat fünf Jahre lang mit außergewöhnlich heftigen Widerständen und Anfeindungen zu tun gehabt – allem Anschein nach der Grund, warum er “aus persönlichen Gründen” auf eine zweite Amtszeit dankend verzichtet hat. “Diese fünf Jahre waren eine lange und schwierige Reise, mit täglicher Erschöpfung und harter Arbeit”, erklärte Georgiou am letzten Arbeitstag und fügte an: “Wir Griechen haben gelernt, wo wir tatsächlich stehen, anders als früher, als wir wegen der langjährigen Manipulation der Statistiken einem falschen Bild von der Lage im Land aufsaßen.”Tatsächlich übernahm der in Patras geborene Ökonom, der in Amherst (Massachusetts) studiert und sich an der University of Michigan promoviert hatte, bevor er elf Jahre für den Internationalen Währungsfonds tätig war, die Verantwortung über die griechischen Statistiken, als gerade eine neue Behörde (Elstat) aus dem Boden gestampft werden musste, weil ihre Vorgängerin (ESYE) ob ihres Rufs als Dorado für kreative Trickbetrüger dichtmachen musste. Bevor Georgiou startete, hatten die Euro-Statistiker nicht weniger als sechs Mal die Zahlenwerke beanstandet, die Athen nach Brüssel lieferte – nach Georgious Amtsantritt 2010 gab es keinen einzigen Vorbehalt aus Luxemburg mehr.Statt Lob und Respekt erntete Georgiou dafür aber in Griechenland vor allem Zorn. Er wurde beschuldigt, das Defizit absichtlich aufgebläht zu haben, und von Verschwörungstheoretikern zum Handlanger der Bundesregierung und des IWF gestempelt, der das Land noch brutaler unter ein Spardiktat zwingen wollte. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue. Georgiou beschrieb diese Ermittlungen beim Abschied als “Beginn eines schwierigen Abenteuers”, bis nun endlich “vom griechischen Rechtssystem bewiesen wurde, dass die Angriffe substanzlos waren”. Gestern wurde der scheidende Elstat-Chef noch einen Wunsch los: “Dass die Arbeit mit gleichem Eifer und demselben Respekt der Grundsätze von meinen Nachfolgern fortgesetzt wird.”