Griechisches Beben rüttelt Europas Finanzmärkte durch - Athen will seine IWF-Rate nicht bezahlen

Geldgeber halten Angebot für Neuverhandlung aufrecht - Merkel erteilt "bedingungslosen Hilfen" eine strikte Absage - S & P stuft Griechenland auf "CCC-" ab

Griechisches Beben rüttelt Europas Finanzmärkte durch - Athen will seine IWF-Rate nicht bezahlen

fed/wf/ms/lz/ck Frankfurt – Mit heftigen Kurseinbußen haben gestern vor allem die griechischen Finanzmärkte auf die Entscheidung der Athener Regierung reagiert, ein Referendum über die Vorschläge der Eurogruppe anzusetzen und die Verhandlungen mit den Gläubigervertretern vorerst auf Eis zu legen. Am Abend kündigten Athener Regierungsvertreter zudem an, die heute fällige nächste Rate an den Internationalen Währungsfonds (IWF) in Höhe von 1,6 Mrd. Euro nicht zu zahlen. Die Ratingagentur S&P senkte daraufhin die Kreditwürdigkeit des Landes von “CCC” auf “CCC-“, Ausblick “negativ”.Die zweijährige griechische Staatsanleihe sackte auf knapp 60 % ab; ihre Rendite sprang um 14,3 Prozentpunkte auf 34,38 %. Die Athener Börse wurde bis auf weiteres geschlossen. Im Ausland handelbare Finanzinstrumente zeigten, dass es am griechischen Aktienmarkt zu einem Crash gekommen wäre. Der Dax verzeichnete mit einem Minus von zeitweise 4,6 % den stärksten Kursrutsch seit dreieinhalb Jahren.Trotz der drohenden Staatspleite Griechenlands sehen die europäischen Partner keinen Spielraum für eine Verlängerung des aktuellen Hilfsprogramms. Sowohl Bundeskanzlerin Angela Merkel als auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker ließen am Montag keine Bereitschaft erkennen, der Bitte des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras um einen erneuten Aufschub bis zum geplanten Referendum am Sonntag nachzukommen. Damit dürfte das Hilfsprogramm am Dienstag um Mitternacht auslaufen und die finanzielle Situation Griechenlands noch prekärer werden. Wegen des befürchteten Ansturms beunruhigter Sparer blieben die Banken des Landes geschlossen und sollen genau wie die Athener Börse erst wieder kommenden Montag öffnen. Flammender AppellMehrere Spitzenvertreter der EU-Staaten und der EU-Kommission unterstrichen ihre Bereitschaft, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Juncker machte deutlich, dass er seine Hoffnungen dabei auf die griechischen Bürger gründet, die am Sonntag in einem Referendum über ihre Bereitschaft befragt werden sollen, die Bedingungen der Kapitalgeber für weitere Finanzhilfen zu akzeptieren. Zwar ist dann das laufende Hilfsprogramm bereits ausgelaufen. Athen könnte freilich den Antrag für ein neues Programm stellen, sollten die Bürger ein klares Votum abgeben. Juncker wandte sich in einem flammenden Appell direkt an die Bevölkerung: “Ich bitte Sie, mit Ja abzustimmen” – wobei offiziell noch nicht feststeht, wie die Frage letztlich genau formuliert wird.Griechenlands Premier Tsipras hatte die Volksbefragung in der Nacht zum Samstag überraschend im Fernsehen angekündigt – und sich damit den Unmut der Euro-Partner eingehandelt. Sie sind darüber erzürnt, dass Tsipras der heimischen Bevölkerung nahegelegt hat, mit “Nein” zu stimmen. Juncker forderte diese darum auf, sich gegen den Ratschlag ihrer Regierung zu stellen, und unterstrich die Bereitschaft zur Wiederaufnahme der Gespräche: “Die Tür ist noch offen.”In Berlin zeigten sich auch Kanzlerin Merkel und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) offen, wieder Gespräche mit Athen aufzunehmen, sollte das Referendum zugunsten des Sparpaketes und der Finanzhilfen ausfallen. Merkel machte deutlich, dass es dann an Athen sei, die Initiative zu ergreifen. Bedingungslose Hilfen werde es indes nicht geben, sind sich Merkel und Gabriel einig. Sollte es dennoch zur Staatspleite des Landes kommen und womöglich zum Ausscheiden aus der Währungsunion, sieht Merkel die Prinzipien der Währungsunion gefestigt: Eigenanstrengung und Solidarität gehörten zusammen, sagte sie. “Wenn diese Prinzipien nicht mehr eingehalten werden, dann – davon bin ich zutiefst überzeugt – scheitert der Euro, und das wollen wir nicht.” Gabriel unterstützte dies: “Der Euro scheitert gewiss nicht an einem Referendum in Griechenland, aber er würde gewiss scheitern, wenn wir die Verbindlichkeiten in der Währungs- und Wirtschaftsunion weiter reduzieren würden.” Für den Mittwoch kündigt Merkel eine Debatte im Bundestag an.Eine Schlüsselrolle kommt der Europäischen Zentralbank (EZB) zu. Seit Wochen verhindern allein die mit Genehmigung des EZB-Rats gewährten Notfallkredite ELA der griechischen Zentralbank einen Kollaps des Bankensystems in Griechenland und damit auch des Staates. Am Sonntag hatte der EZB-Rat nach einer kurzfristig einberufenen Telefonkonferenz erklärt, dass die Emergency Liquidity Assistance (ELA) trotz des Scheiterns der Gespräche weiter gewährt wird. Das Volumen wurde aber auf das bis Freitag erreichte Niveau eingefroren – also auf knapp 89 Mrd. Euro.Mit diesem Schritt erzwang die EZB letztlich die noch am Sonntagabend von der Regierung in Athen beschlossene Schließung der Banken samt Einschränkungen für Bargeldabhebungen und Überweisungen ins Ausland. Nach der Referendumsankündigung hatten sich in Athen lange Schlangen vor den Geldautomaten gebildet, was Sorgen vor einem Bank Run geschürt hatte. Der EZB-Rat wird sich nach Angaben aus Notenbankkreisen planmäßig das nächste Mal bei der regulären Sitzung am morgigen Mittwoch mit Griechenland beschäftigen. Sollte es zwischendurch dramatische Entwicklungen geben, sei aber eine frühere Beratung möglich, hieß es.Zahlt Athen die am heutigen Dienstag fällige IWF-Rate wie angekündigt nicht zurück, muss die EZB entscheiden, wie sich das auf die ELA-Gewährung auswirkt. EZB-Ratsmitglied Ewald Nowotny erklärte gestern, dass es keine Staatspleite bedeute, wenn Athen den IWF nicht bezahlt. Im EZB-Rat ist der Widerstand gegen ELA zuletzt gewachsen. Nicht zuletzt Bundesbankpräsident Jens Weidmann plädiert für einen Stopp.Die EZB hatte am Sonntag auch erklärt, dass der EZB-Rat die Situation an den Finanzmärkten und deren mögliche Auswirkungen für die geldpolitischen Bedingungen und die Preisstabilität genau beobachten werde. “Der EZB-Rat ist entschlossen, innerhalb seines Mandats alle verfügbaren Instrumente zu nutzen”, hieß es. Das zielte vor allem darauf ab, für Beruhigung an den Märkten zu sorgen. Zu den möglichen Instrumenten gehören unter anderem die Staatsanleihekaufprogramme OMT (Outright Monetary Transactions) und QE (Quantitative Easing), mit denen die EZB vor allem einen starken Anstieg der Renditen der Euro-Staatsanleihen zu bremsen versuchen könnte. Ansteckungsgefahr geringEin möglicher Grexit treibt viele Ökonomen und Politiker auch deshalb um, weil sie befürchten, dass dann auch andere Länder der Eurzone wie Portugal und Spanien in den Fokus der Märkte geraten. Die Renditen der zehnjährigen portugiesischen und italienischen Staatsanleihen stiegen um 34 und 24 Stellen auf 3,02 % und 2,38 %. Doch scheint dieses Niveau noch nicht gefährlich. Auch eine Sentix-Sonderumfrage unter Marktteilnehmern förderte zutage, dass die Ansteckungsgefahr für die Eurozone gering ist.