Deutsche Industrie

Großaufträge bringen Schwung

Die deutsche Industrie verzeichnet im September ein unerwartetes Auftragsplus. Die Details sehen allerdings wenig verheißungsvoll aus, denn den Schwung brachten allein die schwankungsanfälligen Großaufträge.

Großaufträge bringen Schwung

Großaufträge bringen Schwung

Neubestellungen für die deutsche Industrie steigen unerwartet – Umsätze sinken – Große Nachfrage aus Euro-Ländern

ba Frankfurt

Die deutsche Industrie verzeichnet im September ein unerwartetes Auftragsplus. Die Details sehen allerdings wenig verheißungsvoll aus. Denn der Schwung kommt allein von den volatilen Großaufträgen. Und der weniger schwankungsanfällige Dreimonatsvergleich fällt ebenfalls mau aus.

Großaufträge und eine höhere Auslandsnachfrage haben der deutschen Industrie im September ein unerwartetes Auftragsplus beschert. Allerdings fällt sowohl der weniger schwankungsanfällige Dreimonatsvergleich als auch das Ergebnis vom Juli nicht ganz so verheißungsvoll aus. Letzteres wurde kräftig nach unten revidiert aufgrund einer fehlerhaften Meldung. Nachdem die Neubestellungen nach der Verschnaufpause im August damit wieder auf den Abwärtstrend eingeschwenkt sind und die Umsätze niedriger ausgefallen sind, erwarten Ökonomen, dass die Produktion auch im laufenden vierten Quartal sinkt und die Industrie zum Schrumpfen des Bruttoinlandsprodukts (BIP) beiträgt. Nachdem das BIP im Sommer um 0,1% zurückgegangen ist, wäre mit zwei Minusquartalen in Folge die Definition einer technischen Rezession erfüllt.

Kräftige Revision

Laut dem Statistischen Bundesamt (Destatis) überstiegen die Bestelleingänge im September das Vormonatsniveau um preis-, saison- und kalenderbereinigt 0,2%. Ökonomen hatten hingegen mit einem Rückgang um 1% gerechnet. Allerdings legten die Wiesbadener Statistiker auch diesmal kräftig Hand an das Vormonatsergebnis. Statt einem Orderzuwachs von 3,9% wie zunächst gemeldet verzeichnen sie nun ein Plus von 1,9%. "Die ungewöhnlich hohe Revision im August 2023 ist auf fehlerhaft gemeldete Daten im Bereich Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen zurückzuführen", erklärten die Statistiker dazu.

Maschinenbau bringt positive Impulse

"Positiv sticht ins Auge, dass das Auftragsplus vor allem auf einen Schlüsselbereich der deutschen Industrie zurückzuführen ist", analysiert Thomas Gitzel, Chefökonom der VP Bank. Schwung brachten etwa der Maschinenbau sowie die Herstellung von Metallerzeugnissen mit einem Zuwachs von je 8,5%. Im Bereich der Metallerzeugung und -bearbeitung meldet Destatis ein Plus von 8,7%. "Die Auftragseingänge unter Ausklammerung der Großaufträge enttäuschen", mahnte Gitzel aber auch. Diese Kernrate ist entscheidend, da Großaufträge meist über einen längeren Zeitraum abgearbeitet werden. Sie beeinflussen die Produktion in den kommenden Monaten daher kaum. Ohne die schwankungsanfälligen Großaufträge sammelte die Industrie 2,2% weniger Aufträge ein als im August. "Die Auftragssituation hat sich deshalb nicht zum Besseren gewendet", so Gitzel.

Maue Aussichten für Produktion

Schwächer fiel auch die Entwicklung im weniger schwankungsanfälligen Dreimonatsvergleich aus. So sank der Auftragseingang von Juli bis September um 3,9% zum Vorquartal. "Auch für die kommenden Monate ist kaum mit einer Belebung der Nachfrage in der Industrie zu rechnen, eher dürften die Auftragseingänge noch etwas fallen", sagte daher auch Commerzbank-Ökonom Ralph Solveen. Die massiven Zinserhöhungen vieler Zentralbanken würden mit der üblichen Verzögerung die Nachfrage nach deutschen Produkten im In- und Ausland bremsen. "Als Folge dürfte auch die Produktion weiter zurückgehen, zumal ein Großteil der Unternehmen in der Ifo-Umfrage ihre Auftragsbestände als 'zu klein' bezeichnen." Aber auch die Industrieumsätze sprechen für eine rückläufige Produktion. Laut Destatis ist der reale Umsatz im verarbeitenden Gewerbe saison- und kalenderbereinigt 1,6% im Monatsvergleich gesunken. Für August fiel die Revision wegen der fehlerhaften Meldung ebenfalls stärker als gewöhnlich aus. Statt der ursprünglich gemeldeten 0,4% steht nun ein Rückgang von 0,5% zu Buche.

Destatis verzeichnete im September stark gegenläufige Entwicklungen im verarbeitenden Gewerbe. Bei den Produzenten von Datenverarbeitungsgeräten, elektronischen und optischen Erzeugnissen folgte ein Einbruch von 12,5%. Im August war hier noch ein Wachstum von 19,9% registriert worden. Aber auch die Autoindustrie verzeichnete ein Minus, und zwar von 2,5%. Beim sonstigen Fahrzeugbau, zu dem etwa Flugzeuge, Schiffe und Züge zählen, gingen 9,7% weniger Bestellungen ein.

Große Nachfrage der Euro-Länder

"Der Zuwachs ist nicht der Rede wert, die Tristesse in der Industrie hält an", urteilt Alexander Krüger, Chefvolkswirt der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank. Eine Bodenbildung könne noch nicht attestiert werden. Angesichts der schwachen Weltwirtschaft werde sich das Blatt kaum wenden. Im September aber erhöhten sich die Auslandsaufträge um 4,2%. Besonders kräftig stieg die Nachfrage in den Ländern des Euroraums – hier gab es ein Plus von 6,2%. Die Aufträge von außerhalb der Eurozone legten um 2,9% zu. Die Inlandsaufträge fielen hingegen um 5,9%.

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