Angst vor Lohn-Preis-Spirale lässt nach
Angst vor Lohn-Preis-Spirale lässt nach
Britisches Lohnwachstum verlangsamt sich – Sunak droht bei Abstimmung über Zuwanderungspolitik Hinterbänkler-Revolte
Die britischen Arbeitseinkommen sind im Oktober weniger stark gestiegen als am Markt erwartet. Im Vergleich zum September entschleunigte sich das Lohnwachstum. Das dämpfte Ängste vor einer Lohn-Preis-Spirale, die der Bank of England Anlass zu weiteren Leitzinserhöhungen geben könnte.
hip London
In Großbritannien hat sich das Lohnwachstum verlangsamt. Anders als im Vormonat gab es keine für die Arbeitnehmer positive Überraschung bei den Boni. Zudem machten sich Basiseffekte bemerkbar. Wie das Statistikamt ONS mitteilte, wuchs die Gesamtvergütung inklusive Sonderzahlungen in den drei Monaten per Ende Oktober um 7,2%. Volkswirte hatten im Schnitt ein Plus von 7,6% auf der Rechnung. Per Ende September hatte dieser Wert bei 8,0% gelegen. Er wurde von 7,9% nach oben revidiert. Das Wachstum der regulären Einkommen entschleunigte sich von 7,8% auf 7,3%. Ökonomen hatten 7,4% auf der Rechnung. Treiber des Rückgangs war der private Sektor.
Kein Argument für die Falken
"Finanzinvestoren waren besorgt, dass sich so etwas wie eine Lohn-Preis-Spirale herausbilden könnte und dass die Bank of England sich für dazu verpflichtet halten würde, die Geldpolitik weiter zu straffen", schrieb James Richard Sproule, der bei Handelsbanken für das Vereinigte Königreich zuständige Chefvolkswirt, in einer ersten Einschätzung. "Die heutigen Daten haben diese Sorge weniger dringlich gemacht." Auch die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins geht davon aus, dass die Arbeitsmarktdaten "den Falken zu einem gewissen Grad den Wind aus den Segeln nehmen werden." Das geldpolitische Komitee der britischen Notenbank (Monetary Policy Committee, MPC) wird seine Zinsentscheidung am Donnerstag bekannt geben.
Reallöhne steigen seit kurzem
Tatsächlich sind die britischen Arbeitseinkommen zwar in den vergangenen fünf Monaten etwas schneller gestiegen als die Teuerungsrate. Dem gingen aber 18 Monate voraus, in denen die Reallöhne gesunken sind. Das Lohnwachstum ist auch alles andere als gleichmäßig verteilt. Während in der Finanzbranche 8,3% mehr verdient wurden, waren es im Baugewerbe lediglich 5,2%. Zudem sind die unteren Einkommensgruppen in anderer Weise von der Inflation betroffen. Sie geben einen größeren Teil ihres Verdienstes für Lebensmittel aus, für die im Oktober ein Preisauftrieb von 10,1% festgestellt wurde.
Makroökonomische Fragilität
Für Mark Capleton, Head of Global Inflation-linked Research bei der Bank of America, gehören die niedrige Arbeitslosenquote und die Rückkehr zu positivem Reallohnwachstum zu den wenigen guten Nachrichten, die es derzeit aus Großbritannien zu berichten gibt. Das Land habe in mehrerlei Hinsicht mit makroökonomischer Fragilität zu kämpfen, sagte er vor Journalisten in London. Die Teuerung habe sich zwar abgeschwächt, werde sich jedoch später als in den USA oder der Eurozone dem Zielwert der Notenbank annähern. Die Hartnäckigkeit der Inflation sei ein Problem. Er gehe davon aus, dass die Bank of England erst dann anfangen werde, den Leitzins von derzeit 5,25% zu senken, wenn alle anderen schon damit begonnen hätten.
Schicksalsstunde für Sunak
Unterdessen ging Premierminister Rishi Sunak einer zur Schicksalsstunde hochstilisierten Abstimmung im Unterhaus entgegen. Es geht um ein Gesetz, das die Abschiebung von illegal auf die Insel Eingewanderten nach Ruanda ermöglichen soll. Robert Jenrick, der als Staatssekretär im Innenministerium für das Thema Zuwanderung verantwortlich war, trat im Streit darüber zurück. Die Ergebnisse der Abstimmung werden erst nach Redaktionsschluss erwartet. Allerdings wird damit gerechnet, dass eine ganze Reihe von Abgeordneten der Regierungspartei gegen den Gesetzentwurf stimmen werden.