Großbritannien korrigiert überhöhte Opferzahlen

Public Health England setzte die Zahl der Covid-19-Toten um mehr als 5 000 zu hoch an

Großbritannien korrigiert überhöhte Opferzahlen

Von Andreas Hippin, LondonPublic Health England (PHE) hat in der Coronavirus-Pandemie deutlich überhöhte Opferzahlen angegeben. Wie das Gesundheitsministerium mitteilt, wurde die Zahl der Toten in England um 5 377 auf 41 329 nach unten revidiert. Professor John Newton, der bei PHE als “Director of Health Improvement” fungiert, sagte, man habe sich für die ursprüngliche Zählweise entschieden, “um in den Anfangstagen der Pandemie zu vermeiden, dass die Zahl der Toten durch das Virus unterschätzt wird”. Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben, äußert sich anders. Würde man der Logik des Apparats folgen, müsste man wahrscheinlich von einem vollen Erfolg sprechen. Für zu niedrig hält die Opferzahlen jedenfalls keiner mehr.PHE durchforstete offenbar regelmäßig die Datenbank des öffentlichen Gesundheitswesens NHS, um zu prüfen, ob Krankenversicherte, die einmal positiv auf Covid-19 getestet wurden, noch am Leben sind. Jeder, der einmal mit dem Virus infiziert war, sei zu den Covid-19-Toten hinzugerechnet worden, falls er zu Tode kam, “selbst wenn er einen Herzanfall hatte oder drei Monate später vom Bus überfahren wurde”, schrieben zwei Mediziner vom Zentrum für evidenzbasierte Medizin vor einem Monat im “Spectator” (vgl. BZ vom 18. Juli). Rund 80 000 genesene Covid-19-Patienten seien auf diese Weise weiter von PHE beobachtet worden. Damit ist nun Schluss. Künftig werden auch in England nur Todesfälle zu den Covid-19-Opferzahlen gerechnet, die sich binnen 28 Tagen nach einem positiven Testergebnis ereignet haben. In Schottland und Wales war dies bereits üblich. Doch erst nachdem Gesundheitsminister Matt Hancock eine Untersuchung der Zählweise forderte, einigten sich die vier Chefmediziner der britischen Nationen auf eine einheitliche Linie. PHE wäre eine Frist von 60 Tagen lieber gewesen. Das hätte den Unterschied zwischen der bisherigen und der fortan gültigen Zählweise nicht ganz so krass aussehen lassen. In der Woche zum 24. Juli belief sich die Zahl der Covid-19-Toten in England auf 111, nicht auf 442, wie ursprünglich gemeldet. Verunsicherte ÖffentlichkeitDer Schaden dürfte schwer wiedergutzumachen sein. Das Virus wird nach einer wochenlangen Angstkampagne von Regierung, NHS und Rundfunkmedien für weitaus tödlicher gehalten, als es nach bisherigen Erkenntnissen ist. Wie einer aktuellen Meinungsumfrage von Kekst CNC zu entnehmen ist, glauben die Briten, dass ihm bereits 7 % der Bevölkerung erlegen sind. Das wären 4,7 Millionen Menschen. Tatsächlich starben bislang weltweit knapp 750 000 Menschen an der neuartigen Lungenkrankheit. Die Teilnehmer waren zudem der Meinung, dass annähernd ein Fünftel das Virus bereits hatte und derzeit ein Zehntel infiziert ist. Kein Wunder, dass man sich im Vereinigten Königreich mehr vor einer “zweiten Welle” fürchtet als anderswo und drei Viertel der Menschen nicht glauben, dass sich bis Weihnachten wieder so etwas wie Normalität einstellt.Die Zahl der Covid-19-Todesopfer sinkt ebenso wie die Zahl der Krankenhauseinlieferungen. Daher fokussiert sich die mediale Aufmerksamkeit nun auf die steigende Zahl der Neuinfektionen. Sie geht darauf zurück, dass vermehrt Tests durchgeführt werden. Allerdings ist die Aussagekraft der PCR-Diagnostik (Polymerase-Kettenreaktion) umstritten. Denn es kommt darauf an, ob das damit aufgespürte Erbmaterial tatsächlich infektiös ist. Weniger Panikmache wäre in der öffentlichen Debatte hilfreich.