Großbritannien stürzt in die Rezession

Wirtschaft schrumpft im zweiten Quartal um ein Fünftel - Erholung im Juni

Großbritannien stürzt in die Rezession

Nachdem die Wirtschaft zwei Quartale in Folge geschrumpft ist, befindet sich das Vereinigte Königreich per definitionem in der Rezession. Allerdings zeigten sich nach Lockerung der Ausgangsbeschränkungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie bereits im Juni Anzeichen für eine Erholung.hip London – Die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie haben dafür gesorgt, dass die britische Wirtschaft im zweiten Quartal um 20,4 % geschrumpft ist. Wie das Statistikamt ONS mitteilt, handelt es sich um den stärksten Einbruch in einem Quartal seit Beginn der Erhebungen. “Großbritannien ist damit in der wenig beneidenswerten Position, das Schlusslicht unter den G7-Staaten zu sein”, kommentierte Charles Hepworth, Investmentdirektor beim Vermögensverwalter GAM, die Daten. “Vielleicht korreliert das damit, wie mit dem Ausbruch des Virus umgegangen wurde.” Er habe bereits gesagt, dass schwere Zeiten vor der Tür stünden, sagte Schatzkanzler Rishi Sunak. Nun seien sie da. “Hunderttausende haben bereits ihre Arbeit verloren. Leider werden es in den kommenden Monaten noch viel mehr werden.”Das dominante Dienstleistungsgewerbe war von den Ausgangsbeschränkungen und Ansteckungsängsten besonders stark betroffen, insbesondere das Gastgewerbe. Nachdem bereits im Auftaktquartal ein Rückgang um 2,2 % zu verzeichnen war, befindet sich das Land per definitionem in einer Rezession. Weil das ONS monatlich Daten zum Wirtschaftswachstum vorlegt, hatten Volkswirte für den Zeitraum von Anfang April bis Ende Juni bereits mit einem Rückgang in dieser Größenordnung gerechnet. “Wir haben immer gesagt: Die Abwärtsbewegung ist nicht das Interessante, denn sie spiegelt die von der Regierung verordnete Schließung weiter Teile der Wirtschaft wider und wird von Statistikern verschiedener Länder vielleicht unterschiedlich gemessen”, schrieb die HSBC-Volkswirtin Elizabeth Martins. Das Interessante sei vielmehr, wie viel sich im weiteren Jahresverlauf und darüber hinaus aufholen lasse.”Die Wirtschaft begann sich im Juni zu erholen, als Läden wieder öffneten, Fabriken die Produktion hochfuhren und der Wohnungsbau sich weiter erholte”, sagte der ONS-Statistiker Jonathan Athow. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) wuchs im letzten Monat des Quartals um 8,7 %. Volkswirte hatten lediglich 8,0 % auf der Rechnung. Dennoch habe das BIP im Juni um ein Sechstel niedriger gelegen als im Februar, betonte Athow.Die Produktion des verarbeitenden Gewerbes erhöhte sich um 11 %. Das war der stärkste Anstieg seit Beginn der Erhebungen im Januar 1968. Der Deutsche-Bank-Volkswirt Sanjay Raja geht davon aus, dass die britische Wirtschaft Ende des 3. Quartals wieder 90 % des Prä-Corona-Niveaus erreichen wird. “Trotz der im Juni verzeichneten Erholung bleibt die Zukunft ungewiss”, sagte Kemar Whyte, Senior Economist beim Nationalen Institut für Wirtschafts- und Sozialforschung NIESR. “Eine lange Wachstumsphase wird nötig sein, um den in den vergangenen Monaten verlorenen Boden gutzumachen.” Die renommierte Denkfabrik hält es für unwahrscheinlich, dass die wirtschaftliche Aktivität vor dem zweiten Halbjahr 2023 wieder das Niveau erreicht, auf dem sie sich im Schlussquartal des vergangenen Jahres bewegte. Raja rechnet erst für Ende 2024 damit.NIESR kritisiert, dass Sunak das Coronavirus Job Retention Scheme Ende Oktober auslaufen lassen will. Die Regierung hatte damit die Löhne und Gehälter von bis zu 9,5 Millionen Menschen subventioniert. Langzeitarbeitslosigkeit und eine geschwächte Wirtschaft seien teurer als die vorübergehende Alimentierung dieser Arbeitnehmer, argumentiert das Institut. Allerdings wird das Programm voraussichtlich auch ohne Verlängerung schon mehr als 100 Mrd. Pfund kosten.