Streit um Zuwanderungspolitik

Oberhaus lehnt Ruanda-Abkommen ab

Das britische Oberhaus wird heftigen Widerstand gegen das Abschiebegesetz von Premierminister Rishi Sunak leisten. Entlastung für die Regierung gibt es bei der Neuverschuldung.

Oberhaus lehnt Ruanda-Abkommen ab

Britisches Oberhaus lehnt Ruanda-Abkommen ab

Niedrigere Neuverschuldung bietet Schatzkanzler Jeremy Hunt Spielraum für Steuergeschenke

hip London

Der britische Premierminister Rishi Sunak hat im Streit um den Umgang mit der illegalen Zuwanderung seine erste Abstimmungsniederlage im Oberhaus eingefahren. Das House of Lords votierte mit 214 zu 171 Stimmen gegen die Ratifizierung des Abkommens mit Ruanda, das die Abschiebung von Migranten in das afrikanische Land ermöglicht. Es bildet die Grundlage des vergangene Woche in dritter Lesung vom Unterhaus verabschiedeten Abschiebegesetzes, das ab kommender Woche im Oberhaus diskutiert werden soll.

Sunak unter Zugzwang

Sunak hat sein politisches Schicksal mit dem Ende der unkontrollierten Einwanderung über den Ärmelkanal verknüpft. Boris Johnson trat während der Pandemie immer wieder an ein Rednerpult, auf dem der Slogan „Protect the NHS“ („Schützt den National Health Service“) prangte. Rishi Sunaks Rednerpult trägt die Aufschrift „Stop the Boats“ („Stoppt die Boote“).

Pingpong auf Britisch

Im 784 Sitze zählenden House of Lords gibt es gerade einmal 269 Tories. Man darf also davon ausgehen, dass die Gegner der konservativen Zuwanderungspolitik das Gesetz mit reichlich Zusätzen versehen werden. Entscheidend ist allerdings, ob die von den Oberhausabgeordneten vorgenommenen Änderungen vom House of Commons bestätigt werden. Das unter dem Namen Pingpong bekannte Hin und Her zwischen den beiden Häusern kann missliebige Entscheidungen um bis zu ein Jahr verzögern. Das könnte bedeuten, dass das Gesetz bis zu den bis Ende Januar 2025 fälligen Wahlen nicht in Kraft treten kann. Sollte Labour den Sieg davontragen, würde es einfach zu den Akten gelegt.

„Grund zum Feiern“

Wie das Statistikamt ONS unterdessen mitteilte, belief sich die öffentliche Neuverschuldung im Dezember auf 7,8 Mrd. Pfund. Das waren 8,4 Mrd. Pfund weniger als ein Jahr zuvor. Es war zudem der niedrigste Wert für einen Dezember seit 2019. „Für einen Schatzkanzler, der darauf hofft, in nicht allzu ferner Zukunft eine Reihe von Steuersenkungen finanzieren zu können, die bei den Massen gut ankommen, dürfte der Blick auf den Zustand der öffentlichen Finanzen ein Grund zum Feiern sein“, sagte die Analystin Danni Hewson von AJ Bell.

Höhere Steuereinnahmen

Niedrigere Zinskosten wirkten sich ebenso positiv auf die Neuverschuldung aus wie das Ende des Energiepreisdeckels, der nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine wirtschaftlich schwächere Haushalte vor den Auswirkungen höherer Strom- und Gaspreise schützen sollte. Für den Schuldendienst mussten 4,0 Mrd. Pfund ausgegeben werden, gut 14 Mrd. Pfund weniger als im Dezember 2022. Die kalte Progression sorgte für höhere Einkommensteuereinkünfte. Das allgemein höhere Preisniveau spülte mehr Mehrwertsteuereinnahmen in die Staatskasse. Alles in allem machte die öffentliche Hand in den zwölf Monaten per Ende Dezember 5 Mrd. Pfund weniger neue Schulden, als die unabhängigen Haushaltshüter vom Office for Budget Responsibility (OBR) auf der Rechnung hatten.

Wachsende Staatsausgaben

Die britische Staatsverschuldung ist seit Ausbruch der Pandemie 2020 stark gestiegen. Dazu trugen Maßnahmen zum Schutz von Betrieben ebenso bei wie eine großzügige Kurzarbeitsregelung, die möglichst viele Arbeitsplätze erhalten sollte. Zugleich wurden Unsummen in das öffentliche Gesundheitswesen NHS gesteckt. Die Beschäftigung im öffentlichen Dienst legte stark zu.

Das ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass sich die regierenden Tories eigentlich einen schlanken Staat und niedrige Steuern auf die Fahnen geschrieben haben. In den vergangenen Monaten stiegen die staatlichen Transferzahlungen teils erheblich, weil den Empfängern ein Inflationsausgleich gewährt worden war.

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