Großbritanniens "Schwarzer Mittwoch"

Vor 25 Jahren verließ das Land das Europäische Währungssystem

Großbritanniens "Schwarzer Mittwoch"

Von Andreas Hippin, LondonDer Tag, an dem das Vereinigte Königreich vor 25 Jahren das Europäischen Währungssystem (EWS) verließ, ist bis heute unter dem Namen “Schwarzer Mittwoch” bekannt. Dieses Jahr fällt der 16. September auf einen Samstag. Der ehemalige britische Schatzkanzler Norman Lamont versuchte das Desaster in den Folgejahren als Segen für Großbritannien zu verkaufen. Schließlich sei den Briten deshalb der Euro erspart geblieben, schrieb er am zehnten Jahrestag in einem Gastbeitrag für den “Telegraph”. Auf den Fotos vom 16.9.1992 sieht Lamont aber nicht gerade wie ein Gewinner aus. Deutsche StabilitätDas Vereinigte Königreich war dem EWS im Oktober 1990 beigetreten. Der damalige Schatzkanzler John Major verpflichtete sich dadurch, dafür zu sorgen, dass sich das Pfund innerhalb enger Schwankungsbreiten zur Deutschen Mark hielt. Damit verbunden war die Hoffnung auf Stabilität und eine niedrigere Teuerungsrate. Die britische Wirtschaft sollte sozusagen deutscher werden. Die Inflation ging tatsächlich zurück – von nahezu 12 % im Beitrittsmonat auf “kontinentales Niveau”, wie Lamont später bemerkte. Stabilität kehrte jedoch nicht ein, was daran gelegen haben dürfte, dass das eben erst wiedervereinigte Deutschland höhere Zinsen benötigte als das tief in einer Rezession steckende Vereinigte Königreich. Die Mitgliedschaft im EWS verlängerte den Abschwung in Großbritannien, weil dort die Zinsen nicht im erforderlichen Maße gesenkt werden konnten.In Frankreich stand die Volksabstimmung über den Vertrag von Maastricht kurz bevor. Umfragen zufolge gab es eine klare Mehrheit dagegen. Spekulanten wie George Soros mit seinem Quantum Fund wetteten nicht nur gegen die britische Währung, sondern auch gegen die italienische Lira und die spanische Pesete. Und der damalige Bundesbankpräsident Helmut Schlesinger sprach in einem Interview von der Möglichkeit, dass eine oder zwei EWS-Währungen noch vor dem französischen Referendum unter Druck geraten könnten. Nachdem das “Handelsblatt” vorab darüber berichtet hatte, gab es kein Halten mehr. Das Pfund geriet unter extremen Druck. Major, mittlerweile Premierminister, und Lamont erhöhten den Leitzins am 16.9.1992 erst von 10 % auf 12 %. Als dies keine Wirkung zeigte, setzten sie ihn auf 15 % hoch. Zudem gaben sie Abermilliarden für Währungsgeschäfte frei, die das Pfund innerhalb der vom EWS diktierten Spanne halten sollten – ohne Erfolg. Auf diese Weise wurden mehr als 3 Mrd. Pfund verbrannt. Soros brüstete sich später damit, durch Leerverkäufe mehr als 1 Mrd. Dollar an der Pfund-Krise verdient zu haben.Um das Funktionieren des Währungssystems zu gewährleisten, hätten die Länder mit den stärksten Währungen die eigenen verkaufen und dafür die schwächsten Währungen kaufen müssen. Im September 1992 war die D-Mark die stärkste und das Pfund die schwächste Währung im EWS. Allerdings war man in Frankfurt der Ansicht, dass Großbritannien abwerten müsse. Es sei ohnehin zu einem überhöhten Kurs eingestiegen. Das Problem, das zu der Krise geführt hatte, war jedoch die fehlende Möglichkeit, die Zinsen zu senken, nicht der Wechselkurs.Lamont war gezwungen, die EWS-Mitgliedschaft Großbritanniens “auszusetzen”. Sie wurde nie wieder aufgenommen. Die Glaubwürdigkeit der Konservativen in Wirtschaftsangelegenheiten litt stark unter der Krise. Seitdem sind die Briten skeptisch, wenn es um externe Währungssysteme geht. Großbritannien gewann die Kontrolle über die Geldpolitik zurück. Das Pfund wertete ab, was dem Land aus der Rezession half und den Umbau der Wirtschaft beschleunigte. Es folgte eine Wachstumsphase, die bis 2008 anhielt. Lamonts einstiger Kofferträger David Cameron machte sich auf den Weg nach ganz oben. Lamont ist bis heute Präsident der Denkfabrik Economic Research Council.